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Salma Hayek

Monroe von Mexiko

Wenn Sexappeal schwer wäre, würde Salma Hayek Tonnen wiegen. Sie wiegt nur 50 Kilo, aber die bersten vor Energie. Die Latina Lover wider Willen hat ihren Lebenstraum erfüllt und spielt die mexikanische Nationalheilige und Malerin Frida Kahlo. Mit ungepflegten Füßen …

Sie ist klein. So klein. Nicht Winona-Ryder-klein. Mehr so Kylie-Minogue-klein. „Der Geist von Salma Hayek ist da“, verkündet sie ermattet und plumpst auf einen Stuhl. Das mit dem Geist soll wohl heißen, dass sie geschafft ist. Eine zu lange Nacht oder schon einen zu langen Tag hatte. Oder beides. Salma Hayek ist also auch müde. Nicht schlecht-geschlafen-müde. Mehr so gestern-Nacht-zu-lange-gefeiert-müde. Dennoch sieht sie fantastisch aus. Sie ist nicht grundlos schlapp, bekam sie doch am Abend zuvor die Goldene Kamera. Darüber hält die 36-Jährige einen begeisterten Monolog, obwohl sie keinen Schimmer hatte, was das für ein Preis ist. Ihr starker spanischer Akzent ist sehr sexy. „Selbst, als man es mir erklärte, habe ich es nicht begriffen. Als ich zur Verleihung da war, fragte ich mich, ob das eine Show oder ein Fellini-Film ist. Es war ich die beste Zeit meines Lebens, auch wenn ich so etwas vorher noch nie gesehen hatte. Es war, sagen wir mal, originell.“ Das ist, sagen wir mal, ein höflicher Euphemismus für ,fürchterlich’. Hayek entdeckt mit weit aufgerissenen Augen die gestischen Qualitäten ihrer Arme und zeichnet abstrakte Konversationsbilder in die Luft. Sie ist wach.

Sieben Jahre kämpfte sie darum, ihre Vision von Frida Kahlos Lebensgeschichte zu realisieren. Sieben Jahre, in denen sie zehn Mal hörte: Vergiss es. Sieben Jahre, in denen sich in schlechten Filmen ihr Image als glutäugige Schönheit zementierte. Es muss ihr stolzes mexikanisches Herz gekränkt haben, dass eitle Hühner wie Madonna oder Jennifer Lopez fast ihre eigenen Frida-Filme vorher machten. Was hätte sie dann getan? Hayek bleibt diplomatisch. „Ich würde meine 7,50 $ Eintritt bezahlen und es hassen. Aber ich würde die Mühe respektieren.“ Das sitzt, KO für JLo. Frida, Frida, Frida. Hayek redet über nicht anderes, verteidigt Kahlo mit der Leidenschaft einer besten Freundin. „Meine Verantwortung war, meine ganz eigene Version der Kahlo zu kreiren. Sie ist heute wie damals ihrer Zeit voraus, war Kommunistin, Alkoholikerin, bisexuell und gehbehindert. Sie liebte es, zu schockieren.“ Davon ist das quicklebendige Schwarzhaar aus dem Zungenbrecherort Coatzacoalcos in Veracruz, Mexiko, so weit entfernt wie Picasso von Malen nach Zahlen. Doch Hayek hat sich an Frida Kahlo emanzipiert. Sie ist eine schöne Frau, die froh ist, endlich nicht mehr nur als schöne Frau wahrgenommen zu werden. Vorbei die Zeiten, als sie vom H&M-Plakat herunter männliche Auffahrunfälle forcierte oder in „From Dusk til Dawn“ den heißesten Schlangentanz der Filmgeschichte hinlegte. Für Männer ist sie ein monroesches Lustobjekt und hat sich daran gewöhnt. „Cool. Großartig. Ich mag es.“ Hayek klingt fast gelangweilt. „Na ja, guck Dir meine Hände an“, fordert sie vehement und streckt ihre bernsteinfarbenen, aber ungepflegten zehn Finger geradeaus. „Willst Du mal meine Füße sehen?“. Natürlich möchte man die sehen. Natürlich traut man sich nicht, ,Ja’ zu sagen.

Die unmanikürten Finger könnten von Hayeks eigenen Malversuchen stammen. „Ich hielt mich für die schlimmstmöglichste Malerin der Welt“, gesteht sie und legt die Hände auf ihre Augen, als suggeriere sie sich eine Entspannungsmaske. „Aber die Sachen waren nicht schlecht. Ich weiß nicht, wie ich’s gemacht habe. War wohl Dusel.“ Sie zuckt mit den Schultern und packt erstens ihre Wasserflasche und zweitens das Thema Geschlechterrollen an: „Die Gesellschaft diktiert Frauen, wer sie sein sollen, damit sie ein gute Frau werden. Dazu müssen sie ein gute Mutter und Ehefrau sein, was heutzutage schon Aufgabe genug ist. Sie müssen Profis sein und Karriere machen. Und sie müssen dünn, hübsch und gut gekleidet sein.“ Neu ist das nicht. Aber wenn ein Filmstar und Sexsymbol seine eigene Entwicklungsgeschichte dekonstruiert, ist das, als klage Heidi Klum glaubhaft die Oberflächlichkeit der Model-Branche an.

„Wenn man an etwas wirklich glaubt und es erreicht, dann ist das wie ein Lächeln im Herzen“, findet Salma Hayek. Diesen Monat gewinnt sie vielleicht einen Oscar. Eine tolle Frau. Nicht Cameron-Diaz-toll, nicht Julia-Roberts-toll. Mehr so … Salma-Hayek-toll.

Volker Sievert

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