Zum Inhalt springen

Schauspiel Frankfurt: „Mephisto“ ist wieder im Programm

Schauspiel Frankfurt;: „Mephisto“
Schauspiel Frankfurt;: „Mephisto“ (Arno Declair)

Muss Kunst immer demokratische Werte verteidigen? Diese hochaktuelle Frage stellt die Inszenierung von Claudia Bauer, die nun wieder zu sehen ist.

„Mephisto“ nach dem berühmten Roman von Klaus Mann wird am Schauspiel Frankfurt wieder ins Programm aufgenommen. Am 8. Oktober geht es wieder los.

Schauspiel Frankfurt: Muss Kunst sich für die Demokratie einsetzen?

„Wie verhält sich die Kunst denn tatsächlich zur Politik, das Theater zur Macht? Und wieviel Verantwortung trägt die/der Einzelne im System?“ Das fragt sich Claudia Bauer in ihrer für die Bühne bearbeiteten Version von Klaus Manns Roman Mephisto am Schauspiel Frankfurt. In Zeiten, wo Links wie Rechts die Kunst gerne für ihre identitären Zwecke missbrauchen würde, lohnt es sehr, sich noch einmal den Werdegang des skrupellosen Karrieristen und Schauspielers Hendrik Höfgen (Gustav Gründgens war Manns Vorlage) anzusehen. Muss Kunst immer demokratische Werte verteidigen?

Wiederaufnahme ist am 8. Oktober, weitere Vorstellungen sind im Oktober am 9./13./14./31.; außerdem am 17. & 18. November sowie am 26. Dezember. Karten gibt es auf der Website des Theaters.

Dramaturgin Katja Herlemann  schrieb anlässlich der Premiere im Oktober 2020:

„Henrik Höfgen, ein vom Ehrgeiz verfressener Schauspieler, arrangiert sich aus Karrieregründen mit der nationalsozialistischen Ideologie und steigt in der Diktatur zum Theaterstar auf. – Klaus Manns wohl bekanntester Roman, der 1936 im niederländischen Exil erschien, zeichnet den Weg eines Künstlers, eines Egomanen, eines Opportunisten nach. Genaues Vor- bild für seine Romanfigur war Klaus Mann sein ehemaliger Weggefährte und Ex-Mann seiner Schwester Erika, Gustaf Gründ- gens, dessen rasanten Aufstieg Mann aus dem Exil entsetzt verfolgte. Der Roman ent- stand in nur acht Monaten, und die hitzige Entschlossenheit der Schaffensperiode ist ihm eingeschrieben – in seinen stilistischen Schwächen wie aber auch in seinen kühnen Tableaus. Aber obwohl die Handlung des Romans sowie praktisch das gesamte Figu- renpersonal seine Entsprechungen in der Realität hat und ein gewisser Anteil persön- licher Rachelust dem Werk unverkennbar eingeschrieben ist, lohnt es sich, den Ro- man auch losgelöst von der historischen Personage als eigenständiges literarisches Kunstwerk ernst zu nehmen. Denn Mann betreibt darin zwar Charakterstudien ihm persönlich bekannter bzw. öffentlicher Per- sonen, aber er entwirft aus seiner Realitätsstudie boulevardeske, satirische, beinahe grotesk überzeichnete Charaktere.

Klaus Mann selbst wehrte sich gegen die Bezeichnung Schlüsselroman (was aber durchaus auch durch die Angst vor strafrechtlicher Verfolgung motiviert war) und beschrieb seine Hauptfigur als symbolischen Typus, den er inklusive der verschiedenen Milieus darstellen wollte: »Das Buch ist nicht gegen einen Bestimmten ge- schrieben; vielmehr: gegen den Karrieristen; gegen den deutschen Intellektuellen, der den Geist verkauft und verraten hat. Dass er begabt ist, macht die Sache erst doppelt arg. Höfgen – der Typ Höfgen, das Symbol Höfgen – stellt der ruchlosen, blutbefleckten Macht sein großes Talent zur Verfügung. Für die propagandistischen Zwecke eines infernalischen ‚totalen Staates‘ lässt er zynisch etwas missbrauchen, was fast Genie sein könnte, wenn es nur moralisch von einer reineren Substanz wäre.« Für Klaus Mann war die Emigration aus Nazi-Deutschland also in der Sphäre der Moral angesiedelt, es gab für ihn nur eine richtige und eine falsche Entscheidung. Deshalb enthält der Roman auch ein ganz klares Urteil über seine Hauptfigur. Aus heutiger Sicht fällt eine Bewertung notwendigerweise differenzierter aus, weil wir einerseits um die Gräueltaten wissen, die sich 1936 erst ankündigten, aber andererseits auch die Fortschreibung der Biografien von Menschen kennen, die in der Diktatur ein Wirkungsfeld verteidigten.

Heute den „Mephisto“ zu lesen, bedeutet vor allem auch eine Beschäftigung mit Nachkriegsdeutschland, wo der Roman in Westdeutschland lange Jahre verboten war –, der sogenannten deutschen Vergangenheitsbewältigung und der kritischen Analyse eines Kulturbegriffs, dessen Verstrickung mit nationaler Ideologie nicht erst die Nazis erfunden haben, bzw. einer Idee von Kunst als unkompromittierbarem Träger reiner Ideale. Wie verhält sich die Kunst denn tatsächlich zur Politik, das Theater zur Macht? Und wieviel Verantwortung trägt die/der Einzelne im System? Klaus Manns „Mephisto“ konfrontiert uns mit schmerzlicher Direktheit und Dringlichkeit mit diesen Fragen.“

Beitrag teilen: