Schauspiel Stuttgart: „Grand ReporTERRE #4: Deadline“ sagt Tschüß zu Kohle, Gas und Atomkraft
Christian Müller und seine Kolleg:innen von der Stuttgarter Performancegruppe Citizen.Kane.Kollektiv bringen einen Abgesang auf Kohle, Gas und Atomkraft auf die Bühne. Ziel: verhindern, dass wir alle zu Losern werden.
Christian Müller, das Citizen.Kane.Kollektiv und das französische Théâtre du Pont du Jour beschäftigen sich in Grand ReporTERRE #4: Deadline mit den Energie-Auslaufmodellen der Gegenwart: Kohle, Gas, Atomkraft. Wie setzen Sie das am Schauspiel Stuttgart genau auf der Bühne um?
Christian Müller: Im Mittelpunkt von „Grand ReporTERRE #4: Deadline“ steht die Journalistin Julia Lauter. Sie hat unter anderem für Süddeutsche Zeitung Magazin, brand eins und das Greenpeace Magazin geschrieben. In der Performance wird sie sichtbar unsichtbar auf der Bühne sein. So hat Julia Lauter für das Projekt Interviews geführt mit der Wissenschaftsphilosophin Julie Jebeile, mit Sylvain Godinot, dem dem Zweiten Bürgermeister der Stadt Lyon, mit der Initiatorin von Parklets für Stuttgart, Hanka Griebenow, mit dem Vorsitzenden des Württembergischen Automobilclubs Volker Stauch, mit der Klimaktivistin Ruth Krohn und mit dem ehemaligen Bergmann Jürgen Frisch. Dieses dokumentarische Material wird als Video auf Bühne zu sehen sein; die Performer:innen von Théâtre du Point du Jour und Citizen.Kane.Kollektiv nehmen gemeinsam in theatralen Szenen den Prometheusmythos auseinander und setzen ihn wieder neu zusammen. Diese Szenen werden dann bilingual auf Französisch und Deutsch auf der Bühne zu erleben sein. Und die Livemusik der Performer:innen ist ein Soundtrack zwischen Verzweiflung und Hoffnung. „Grand ReporTERRE #4: Deadline’ wird eine multimedial-theatrale Performance, die wissenschaftliche Informationen mit künstlerischen Visionen kurzschließt.
Schauspiel Stuttgart: „Wir müssen alle gemeinsam für ein Umdenken kämpfen“
Es geht Ihnen darum, welche Auswirkungen unsere heutige Lebensweise auf zukünftige Generationen hat. Man würde doch meinen, dass das nun langsam allen klar ist …
Müller: … aber die Wenigsten wollen daraus Konsequenzen ziehen. Und die Konsequenzen können meiner Meinung nach nur sein, dass wir uns global vom Gedanken des wirtschaftlichen Wachstums um jeden Preis verabschieden. Wir müssen Energie sparen, und das heißt, dass wir weniger produzieren und konsumieren müssen. Viele Produkte sind unnötig, sinnlos oder zu groß. Wir sollten heute beginnen, darauf zu verzichten.
Braucht eine Zeitenwende wie diese ökologische nicht geradezu ihre Verlierer:innen, damit die tektonischen Verschiebungen allen klar werden?
Müller: Erst einmal sind nicht die Menschen Verlierer:innen, sondern die drei thematisierten Techniken der Energiegewinnung und -nutzung haben sich als unzeitgemäß und gefährlich erwiesen. Ich denke, wir müssen alle gemeinsam für ein grundlegendes Umdenken kämpfen. Wenn wir das nicht tun, sind wir alle Verlierer:innen.
Ihr Wahlspruch „Nie mehr Konjunktiv, immer Kollektiv!“ ist ein ideales Motto für die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels, die die neue Regierung schnellstens einleiten muss. Sehen wir hier die Schnittmenge zwischen Kunst und Politik?
Müller: Mit Sicherheit ist hierarchiefreies Zusammenarbeiten und gemeinsames Suchen nach Lösungen das Gebot der Stunde, weil unkontrollierter Egoismus und die Profite Einzelner die Situation weiter verschärfen. In künstlerischen Kontexten werden neue Arbeitsformen entwickelt und ausprobiert. Insofern würde ich nicht von Schnittmengen, sondern von künstlerischer Pionierarbeit für Veränderung sprechen.
Interview: Volker Sievert