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Shantel

Die Zeremonienmeister der Clubs verlassen die Turntable-Arena und entern die Live-Bühnen. Zumindest einer: Stefan Hantel alias Shantel, in Tel Aviv lebender DJ aus Frankfurt, wird im Juni auf Tour gehen – mit richtiger Band. Vorher kam er zum Interview.

city.mag: Stefan, deine Musik ist geografisch nicht mehr einzuordnen, sie ist ortlos. Bist du auf der Suche nach einer Art Weltästhetik?

Shantel: Ich bin nicht auf der Suche, ich finde! Es ist interessant, eine universelle Sprache zu entwickeln – natürlich ein weitgestecktes Ziel. Aber für mich ist das Reisen, das weltweite Arbeiten sehr wichtig, weil ich von Haus aus sehr neugierig bin. Und ich versuche für mich eine Art Mitte herauszuarbeiten, die weltweit funktioniert.

city.mag: Dabei gehen doch Konturen verloren. Eine universale Sprache kann nur dann verständlich sein, wenn auch die Kulturen weitgehend identisch sind – was besonders durch den Export US-amerikanischer Popkultur stark gefördert wird.

Shantel: Klar, der amerikanische Mainstream ist eine Maschine, die sagt: Wenn es den Markt XY in diesem und jenen Land nicht gibt, dann machen wir den einfach – per Omnipräsenz. Bei mir ist es eher so, dass ich meine Platten von Frankfurt aus veröffentlicht habe, und dann haben Leute aus aller Welt mich kontaktiert.

city.mag: Als 1990 in Frankfurt der Techno erfunden wurde, warst du mittendrin und doch nicht dabei. Warum nicht?

Shantel: Das war mir alles zu schnell. Ich mag es mehr, mit angezogener Handbremse zu fahren.

city.mag: Das ist ja im Trend. In den 90ern wurden die bpm-Rekorde aufgestellt, jetzt heißt das Motto eher Chillout. Gehörst du zu dieser Entschleunigungsszene?

Shantel: Das war also schon immer ein wichtiges Stilmittel von mir; da steckt kein Kalkül dahinter. Das Bedürfnis nach beseelter Musik ist inzwischen sehr stark. Das hängt natürlich damit zusammen, dass in den 90ern eine schnelllebige Modemusik vorherrschte.

city.mag: Vielleicht sind viele Leute jetzt einfach erschöpft und suchen nach einer Hängematte.

Shantel: Heutzutage schreitet die Entwicklung so rasch voran, dass eine sehr starke Entfremdung stattfindet, auch von der eigenen Vergangenheit. Das Bedürfnis nach bestimmten Gerüchen, nach Vergangenheit, nach Assoziationen ist sehr groß – und unsere Zeit ist sehr arm an solchen Dingen.

Interview: Matthias Wagner

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