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Sils Maria

„Irgendwo im Nirgendwo“ hieß ihr erstes Album. Doch sind die vier Jungs aus Blankenese wirklich heimatlose Nomaden? Ihr alternativ angehauchter Rock mit deutschen Texten bezaubert jedenfalls, weil er so harmonisch, melodisch, gefühlvoll und überschwenglich daherkommt. Das nächste Album gibt’s im neuen Jahr, jetzt kommen sie schon mal auf Tour.

KULTUR!NEWS: Ian, Sebastian, es ist bestimmt nicht schlecht, früh entdeckt zu werden. Das erspart einem die übliche Ochsentour …

Ian O‘Brien-Docker: Hey, die haben wir gemacht. Uns ist oft zugute gekommen, daß ich im ADAC bin; die haben uns in den Jahren viermal zum Gig gefahren, Truck auf Truck sozusagen.

K!N: Da muß man seinen Enthusiasmus stets griffbereit haben, oder?

Sebastian Graalfs: Wenn man auf die Bühne geht, und keiner ist da – das knabbert schon an einem. Das kann aber auch glorreich sein: In Lohne haben wir in der Aula in einem besseren Kindergarten gespielt, wo gebastelte Schneemänner in den Fenstern hingen. In ganz Lohne sahen wir EIN Plakat, selbstgemalt. Wir hatten zwar Plakate hingeschickt, aber die fanden wir später hinter der Bühne in einem Regal … Es kamen sechs Leute, aber nach dem Konzert hatten wir sechs CDs verkauft. Ein guter Schnitt also – der beste, den wir jemals hatten.

K!N: Wie groß war der Schritt vom Hits-Nachspielen zu eigenen Texten und eigener Musik?

Ian: Ein sehr großer. Aber wir wußten, wie wichtig das ist, wenn man ernsthaft die Kurve kriegen will. Am Anfang war es tierisch schwer, die ersten 30 Songs kann man in die Tonne treten. Aber nach und nach hat es sich etabliert.

Sebastian: Vom Publikum wurden zuerst natürlich nur die neuen Nummern von Guns ‘n‘ Roses und Nirvana mit Applaus quittiert. Als wir dann noch angefangen haben, auf deutsch zu singen, war‘s für viele vorbei – obwohl wir an unserer Schule DIE Band waren. Irgendwann haben sie sich aber dran gewöhnt und sind wiedergekommen.

K!N: Es gibt auf euren Alben eine auffallende Häufung von Liebesliedern. Sprichst du da immer aus eigener Erfahrung?

Sebastian: Es gibt schon noch andere Themen – familiärer Erwartungsdruck etwa oder Glückssuche. Bei Liebesliedern versuche ich, mit doppeltem Boden zu arbeiten. Da wird vordergründig von Liebe oder einer Beziehung erzählt, aber irgendwann wird klar, das greift weiter. Die Texte sind persönlich, aber beschwert hat sich bis jetzt nur die Mutter einer Verblichenen, die ich in einem Song angegriffen habe. Sie fand das nicht so lustig, aber, naja, es ist ja alles verdeckt, und Leute, die das hören, können ja nicht erfassen, was nun wahr und was erfunden ist. Man gibt natürlich Intimes von sich preis, aber gleichzeitig ist es auch eine Maskerade, und das ist wunderbar.

K!N: Ihr wart die Vorgruppe bei Dieter Thomas Kuhns großer Tour – wie kam das denn, um Himmels Willen?

Ian: Er hat uns im Hamburger Knust gesehen, hat sich unsere Platte gekauft, fand die geil. Er hat seine Platte in Hamburg aufgenommen, zur Zeit, als wir im Lucky Strike Club ein Monatsengagement hatten. Er kam gleich am zweiten Abend, hat sich unsere Show angeguckt und kam hinter die Bühne, um zwei T-Shirts zu kaufen. Wir kamen ins Gespräch und irgendwann dämmerte uns, wer das eigentlich ist. Er sagte, er würde uns gern auf seine Tour mitnehmen. Und wir sagten: Sauber, machen wir mit! Zuerst waren nur acht Daten vorgesehen, aber als das beim Publikum unheimlich gut ankam – das wußten wir ja vorher auch nicht, wir hatten unwahrscheinlich viel Angst –, hat uns das Management gefragt, ob wir den Rest der Tour auch noch mitspielen können. Vor 12 000 Leuten zu spielen, war für uns der reine Wahnsinn. Wir sind vom Publikum so warm und gut behandelt worden. Das sind Leute, die dahinkommen, um eine gute Zeit zu haben. Heute denke ich, Kuhn ist das beste, was uns hätte passieren können. Wir haben uns ja auch Mühe gegeben, es ist ja auch unsere Stärke, live Leute von uns überzeugen zu können.

Interview: Rolf von der Reith

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