„Simply Red“-Sänger Mick Hucknall: „Fuck it, ich will Spaß haben!“
Nach mehr als 30 Jahren mit Simply Red verfolgt Mick Huckmall ganz neue Strategien, um es sich gut gehen zu lassen.
Mick, eigentlich hast du ja schon 2010 das Ende von Simply Red verkündet …
Mick Hucknall: Nein, ich habe nur gesagt, dass ich eine Pause mache. Das ist ein wichtiger Unterschied. Damals habe ich meinem Manager mitgeteilt, dass ich auf unbestimmte Zeit keine Musik machen will, um zu Hause bei meinem Kind sein zu können. In den Medien wurde daraus aber schnell das Ende von Simply Red gemacht. Vor ein paar Jahren wurde ich dann von unserem 30-jährigen Jubiläum überrascht. Mein Manager musste mich daran erinnern, ich hatte es komplett vergessen. Zu dem Anlass gab es dann ja eine große Tour und auch ein neues Album.
Hast du die Musik während deiner Auszeit gar nicht vermisst?
Hucknall: Überhaupt nicht. Ich liebe es, zu Hause zu sein. Meine Tochter ist jetzt zwölf Jahre alt, und das waren die glücklichsten zwölf Jahre meines Lebens. Überhaupt schreibe ich nur dann Songs, wenn ich eine Idee habe. Ich setze mich nie hin und versuche, etwas zu erzwingen. Seit dem letzten Album sind auch schon wieder vier Jahre vergangen, und „Blue Eyed Soul“ war auch gar nicht geplant. Auslöser war eine Geburtstagsparty, auf der jemand zu mir meinte, ich wäre ein großartiger Soulsänger. Das hat mich angespornt, aus meiner Stimme noch etwas mehr rauszuholen.
In der Vergangenheit hast du oft zeitgenössische Trends in deine Songs einfließen lassen. Jetzt setzt du auf zeitlose Kompositionen, auch wenn es derzeit viele junge Musikerinnen und Musiker mit spannenden NuSoul-Ansätzen gibt.
Hucknall: Ich will nicht der 59-jährige Mann sein, der den Jüngeren hinterherläuft. Ich bin sehr glücklich mit meinem Alter und versuche nicht, wie 29 zu klingen. Ich will einfach nur ich selbst sein.
Während viele andere Musiker an diesem Punkt in ihrer Karriere ein melancholisches Album veröffentlichen, mit dem sie auf ihr Leben zurückblicken, wolltest du ein zackiges, sehr klassisches Soulalbum.
Hucknall: Ich wollte einfach kein alter, weiser Mann sein, der ans Ende seiner Karriere kommt und ein bedeutungsvolles Album macht. Das Motto war eher: Fuck it, ich will Spaß haben! Davon profitiert ja auch das Publikum, weil es bei unseren Konzerten tanzen und mitsingen kann.
Bei der gegenwärtigen Situation hätte man von Simply Red auch ein politisches Album erwarten können, doch in den Texten geht es vor allem um die Liebe zu deiner Frau und das Familienleben.
Hucknall: Ich interessiere mich zwar sehr für Politik, und ich schäme mich für viele Dinge wie den fucking Brexit Bullshit und Donald fucking Trump. Trotzdem kam es mir nie in den Sinn, ein politisches Album zu machen. Politik hat meiner Karriere eher geschadet, als ihr zu helfen. Dieses Album ist eher eine Flucht vor diesen Leuten, die Mauern bauen und Barrikaden errichten. Haltet mich da raus, ich will jetzt einfach mal eine gute Zeit haben!
Mit „Ring that Bell“ hat es dann aber doch ein politischer Song auf die Platte geschafft.
Hucknall: Das ist dem Notfall geschuldet. In Deutschland feiert ihr jedes Jahr den Fall der Mauer, und plötzlich ist da dieser Idiot in den USA, der eine neue Mauer bauen will. Ich will schon Mauern einreißen, und Musik ist dafür ein ziemlich gutes Werkzeug. Auch andere Songs lassen sich in diese Richtung lesen. Wenn es in „Sweet Child“ um die Zukunft meiner Tochter und unser aller Kinder geht, ist das nicht notwendigerweise politisch, aber es ist ein Weckruf. Wir müssen etwas tun – und zwar ganz schnell.