Stella: Eine Extraportion Feminismus, bitte!
Eine Extraportion Feminismus, bitte! Davon konnte Stella-Sängerin Elena Lange auf dem 98er-Debüt „Extralife“ gar nicht genug kriegen. Zwei Jahre später scheint sich das Blatt gewendet zu haben. Feministische Parolen sind auf dem Zweitling „Finger On The Trigger For The Years To Come“ tabu.
Feminismus ade? „Nein“, widerspricht Elena Lange. „Ich bin noch Feministin. Aber ich stehe nicht mehr in jedem Fall auf der Seite der Frau.“ Wenn etwa eine jugoslawische Mutter Rache für den Tod ihrer Söhne fordert, findet die Hamburgerin das gar nicht gut.
Mit dem Jugoslawien-Krieg haben sich Elena und ihre drei Bandkollegen überhaupt intensiv auseinander gesetzt. Dass er Stücke wie „Belle Grade“ oder „Kill Love Army“ inspirierte, ist nicht zu überhören. Doch Elena und Keyboarder Thies Mynter gingen noch einen Schritt weiter. Sie fuhren während der Nato-Bombardements für einige Tage nach Belgrad. „Wir konnten uns dort nicht mehr normal bewegen“, erinnert sich Elena mit Schrecken. Jeder lebte in dem Bewusstsein, dass die Stadt abends wieder unter Beschuss genommen würde. „Da wurden humanitäre Gründe angeführt, um auf Menschen Bomben zu werfen“, ereifert sich Thies. „Ich finde das widersinnig.“
Ja, Stella haben wirklich etwas zu sagen. Eine ganze Menge sogar. Ihre Botschaften verpacken sie in Musik, die auch ohne tiefschürfende Aussagen funktionieren würde. Euphorischer Pop paart sich mit groovigen Elektro-Beats und Gitarrengeschrammel. Besteht bei diesem Ohrenschmaus nicht die Gefahr, dass die Hörer die Inhalte ignorieren? Neuzugang Hendrik Weber meldet sich zu Wort: „Mit Sinnlichkeit kannst du viel mehr bewegen“, glaubt der Bassist. Schlagzeuger Mense Reents geht noch einen Schritt weiter: „Wenn sich jemand nur für unsere Musik interessiert, ist das auch okay. Wir wollen keinem Hörer eine bestimmte Lesart aufzwingen.“
Stella setzen dieses Mal lieber auf das höchste der Gefühle. Dieser Sinneswandel kommt wahrlich überraschend. Elena beschwichtigt: „Ich kann keine Lovesongs schreiben, weil ich immer ein bisschen Pech in der Liebe habe.“ Dieses heikle Thema überlässt die 23-Jährige nur zu gern Thies.
Dafür kennt sie sich mit den Schattenseiten des Ruhms aus, wie „Fame Is A 4-Letter Word“ beweist. „Als 13-Jährige wollte ich unbedingt berühmt werden“, gesteht Elena. „Ich habe sogar Geschichten über das Leben eines Stars geschrieben.“ Heute haben sich ihre Prioritäten verlagert: „Ruhm ist nichts wert, wenn du keine Liebe und Wärme bekommst.“
Dagmar Leischow