Supergrass
Die wilde Phase ist vorbei: Drei Jahre nach ihrem letzten Album sind die Rotzlöffel von Supergrass wie ausgewechselt – menschlich wie musikalisch. Ein Interview mit Bandchef Gaz Coombes.
ulysses: Gaz, ihr wart drei Jahre wie vom Erdboden verschluckt. Wo habt ihr gesteckt?
Gaz Coombes: Ich habe Urlaub gemacht, den längsten meines Lebens. Ich bin mit meiner Freundin durch Kalifornien gefahren, habe kleine romantische Restaurants besucht und die Seele baumeln lassen. Das war was ganz anderes, als immer mit der Gruppe unterwegs zu sein und sich den kollektiven Wünschen anzupassen. Eben saufen, kiffen und sich die Nächte um die Ohren schlagen.
ulysses: Und wie hat sich das auf die Band ausgewirkt?
Coombes: Wir kommen besser miteinander aus, als je zuvor. Denn vor drei Jahren, als unsere letzte Platte erschien, waren wir ziemlich ausgepowert. Nicht, daß das Album schlecht war, aber es hätte besser sein können, wenn wir frischer gewesen wären. Diesmal waren wir wieder voll bei der Sache.
ulysses: Das klingt sehr aufgeräumt und erwachsen…
Coombes: Das sind wir auch. (lacht) Schließlich sind wir älter und viel bessere Musiker geworden. Wir wissen jetzt, wie wir im Studio vorgehen müssen, um unsere Ideen zu realisieren. Und das ist der gravierende Unterschied: Die Energie ist nämlich noch dieselbe wie früher.
ulysses: Und wie steht es mit dem Ehrgeiz? Bislang hatten Supergrass zwar ein Dutzend Hits, aber nie den Anspruch auf Rockstardom, globalen Ruhm und übersteigerte Medienpräsenz…
Coombes: Das liegt daran, daß wir auch ein Leben außerhalb der Band haben. Deshalb sind wir nie so viel getourt, wie es von uns erwartet wurde. Und das hat nichts mit Bequemlichkeit zu tun, sondern damit, genug Sachen zu erleben, um auch wirklich gute Songs darüber zu schreiben. Ich möchte nicht über das Leben im Tourbus singen, das wäre viel zu langweilig. Wir brauchen Luft. Deswegen haben wir vielleicht nicht immer das getan, was für unsere Karriere wichtig gewesen wäre – aber doch alles, um gute Musik zu machen. Das ist das Einzige, was zählt.
ulysses: Macht es dich nicht zynisch, wenn du dir anschaust, wie beliebig die heutige Popmusik ist?
Coombes: Klar, du brauchst dir ja nur Bands wie The Cure vor Augen zu führen, die über die Jahre immer besser geworden sind. Das galt auch für die Beatles wie die Stones. Insofern macht es schon Sinn, Gruppen, die leidenschaftlich und ambitioniert sind, den nötigen Freiraum zu gewähren. Solange sie Ideen haben, sich entwickeln und Spaß haben, ist alles andere egal.
ulysses: Wobei ihr bei den Aufnahmen an der französischen Riviera des öfteren über die Stränge geschlagen seid…
Coombes (grinst): Es ist ja nichts falsch daran, fünf Flaschen Wein pro Tag zu trinken. Leider hatten wir am Ende weniger gute Ideen, als fürchterliche Kopfschmerzen. Aber zumindest hat uns das in die nötige kreative Stimmung versetzt. Als wir heimkehrten, konnten wir konzentriert zur Sache gehen.
ulysses: Und woher stammen die starken 70s Einflüsse? Das Album ist eine einzige Hommage an die Dekade des Glam, Punk und New Wave…
Coombes: Die 70er waren eine unglaublich kreative und vielseitige Zeit. Eben von Led Zeppelin über Sachen wie Patti Smith, Bowie oder Neil Young, bis hin zu den Jam und Sex Pistols. Das war alles sehr spannend. Und deswegen ist es unmöglich, sich nicht davon beeinflussen zu lassen. Das waren tolle Musiker, die eine wahnsinnige Magie besaßen.
ulysses: Wobei sich die englische Rockmusik vor allem auf die Beatles, Stones und Small Faces konzentriert…
Coombes: Ich weiß auch nicht, warum die daran festhalten. Andererseits: Die Musik, die ich heute mache, mag ich schon seit ich 12 oder 13 bin. Und dazu zählen Hendrix, Bowie und Neil Young – aber auch die Beach Boys. Das sind Sachen, die mich nie verlassen haben – selbst, wenn ich nicht stehengeblieben bin und viel neue Musik höre. Etwa die Strokes, White Stripes oder Vines. Gleichzeitig kann ich aber nichts dagegen machen, immer wieder Alben wie ”Hunky Dory” aufzulegen. Und da wir wissen, wie gute Musik klingt, wollen wir mit unseren Songs auch da anknüpfen und großartige Songs machen. Wobei wir nicht zu verbissen sind. Wir lassen es mit Humor angehen und setzen unsere Einflüsse eher spielerisch um. Wir sind ja keine Coverband.
ulysses: Und wie steht es mit der übersinnlichen Komponente, die sich im Titel ”Life On Other Planets” niederschlägt? Glaubt ihr an Außerirdische?
Coombes: Das spiegelt eher den surrealen Humor der Band wider. Immerhin sind wir dafür bekannt, daß wir nichts und niemanden ernst nehmen. Und wir haben eine Schwäche für den Weltraum und abgespacte Theorien. Wahrscheinlich sind wir da noch richtige Kindsköpfe. Bei den Aufnahmen in Frankreich kamen wir uns ohnehin wie Außerirdische vor. Das war alles so chic und elegant – da passen wir natürlich bestens rein. (grins)
Marcel Anders