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T. C. Boyle: Wassermusik

Eine Neuübersetzung, 27 Jahre nach der Erstausgabe? 1987 übersetzte Werner Richter T. C. Boyles Debüt für den Kleinverlag Rogner & Bernhard, vertrieben wurde das Buch über Zweitausendeins. Seitdem ist Boyle einer der bekanntesten Autoren der US-Literatur geworden, schrieb wortgewaltig und -gewandt gesellschaftskritisch-skurril über holländische, japanische und mexikanische Einwanderer, Hippies, Umweltaktivisten, Müslierfinder, Sexualforscher und Architekten.

Und Richters Übersetzung der auf Fakten basierenden Geschichte des Afrikaforschers Mungo Park, der Ende des 18. Jahrhunderts den Verlauf des Niger erkundete, ist tatsächlich in die Jahre gekommen. Richter hält sich mal zu nah, mal nicht nah genug an den Originaltext. Wenn Boyle von „parched and blistered miles“ schreibt, übersetzte das Richter als „sengende, blasige Meilen“, was man sich als Leser zwar erschließen kann, was aber stilistisch arg schmerzt. In der Neuübersetzung von Dirk van Gunsteren sind es „versengte, ausgedörrte Kilometer“ – trefflicher angepasst an den deutschen Sprachgebrauch.

Woanders änderte Richter den englischen Text unnötig, da wird Boyles „His voice was like sand“ zu „Seine Stimme war wie Staub“, was auch wie Sand im Stilgebälk knirscht und die Frage aufwirft: Wie soll das denn klingen? Man hat ja auch keine staubige Stimme. Van Gunsteren hält sich korrekt an Boyles Original: „Seine Stimme war wie Sand.“ Es gibt in der neuen Hanser-Augabe viele solcher Beispiele, bis hin zu der überfälligen Korrektur von Richters Verwechslung des Schriftstellers Alexander Pope mit dem Papst, englisch „pope“.

Van Gunsteren entstaubt „Wassermusik“ so gründlich, dass man fast übersieht, dass neben der Übersetzung auch der Roman selber ein Stilproblem hat: Bei aller sprachlichen Brillanz hat man Boyles gargantueske Schreibweise, seine dauernden Vergleiche, Redundanzen und angestrengt originellen Beschreibungen selbst der nebensächlichsten Geschehnisse und Figuren, das ewige Pissen, Kacken und Kotzen nach 2/3 der Lektüre über. Stil siegt über Substanz – flüssig zu lesen, aber ohne großes Herz.

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