Tap Dogs
Die australischen Tap Dogs stampfen in der Liederhalle nicht nur auf verbeultes Wellblech.
Ein Typ lümmelt auf der Bühne herum, Kaugummi kauend, provokant grinsend, lässig und lautlos. Plötzlich fängt an er zu erzählen. Mit den Füßen. Er plappert und poltert, stahlbesohlte Boots hämmern phonstark auf das metallene Bühnenpodest. Die australischen Tap Dogs gelten als die Step-Sensation der Neunziger. Doch mit Fred Astaire oder Gene Kelly haben die „steppenden Hunde“ nur noch wenig gemein. Statt schwarz-weißer Lackschuhe trägt das australische Sixpack eisenbespickte Leder-Boots. Zum Sound von Bruce Springsteen und den Beastie Boys donnern die sechs Tänzer lautstark über die Bühne. Mikrofone verstärken das Trommelfeuer ihrer stahlharten Schritte. Die Männer von „down under“ stellen die gute alte Welt des Steptanzes buchstäblich auf den Kopf: Sie tauschen das Stöckchen gegen einen Basketball, steppen im Wasser oder hängen kopfüber von der Decke. Fred Astaire meets Crocodile Dundee. Der Schöpfer der Tap Dogs, der gelernte Maschinenschlosser Dein Perry, schmiedete das Konzept für seine Show in einer Garage im australischen Newcastle, einer Stahlkocherstadt nördlich von Sydney. Nach Feierabend tanzten sich dort die Kumpels den Frust vom Leib und stampften ihre schweren Leder-Boots zum Takt der Stahlhämmer auf den Betonboden. Die Welturaufführung in Sydney im Januar 1995 wurde als Sensation gefeiert, ein Auftritt beim Edinburgh Festival brachte wenige Monate später den Durchbruch. Mittlerweile sind die Tap Dogs zu Australiens erfolgreichstem Show-Export avanciert, bis zu drei Ensembles sind zeitgleich zwischen Australien, Europa und Amerika auf den Beinen. Sie steppen über alles, was ihnen unter die Füße kommt. Selbst vor gefüllten Wasserbecken machen die Tanzdurstigen nicht halt. So sind die Blusen ihrer weiblichen Fans aus der ersten Reihe am Ende fast genauso durchnässt wie die verschwitzten Tops der sechs Tanzwütigen. Die huldigen unverdrossen dem Kult des Primitiven. Heraus kommt trotzdem eine perfekt inszenierte Show.
Jürgen Spieß