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Terry Gilliam

Keckerndes, leicht manisches Lachen beendet jede Antwort, wenn Ex-Monty-Phython-Mitglied Terry Gilliam zu Erklärungen ausholt und doch stets ins Erzählen gerät. Seine neuer Streich wider Zeitgeist und Ernsthaftigkeit ist „Fear and Loathing in Las Vegas“ (ab 24. 9. in den heimischen Kinos) nach dem Buch von Hunter S. Thompson: ein filmgewordener Drogentrip durch das Las Vegas des Jahres 1971, das einem Höllentrip von Pille zu Pille, von Spritze zu Spritze immer ähnlicher wird. Ein moralisierender Antidrogenfilm? Sicher nicht. Eine Junkie-Apotheose? Sicher auch nicht, wenn man nach der Anzahl der Kotz-Szenen geht … Der Regisseur von Kultfilmen wie „Brazil“ oder „12 Monkeys“ half uns aus dem Erklärungsnotstand.

KULTUR!NEWS: Mr. Gilliam, sehen Sie „Fear and Loathing“ als Drogenfilm?

Terry Gilliam: Die Drogen sind eigentlich nur dazu da, die Figuren noch weiter an den Rand des Abgrunds zu bringen. Wenn wir die Drogen nicht hätten, würden die Leute das doch für einen Fantasyfilm halten. Es geht aber wirklich um Leute, deren Träume aus den 60ern zusammenbrechen. Was also tun? Entweder herumsitzen und jammern oder an einem wilden Wochenende an seine Grenzen gehen.

K!N: Wie haben Sie die Atmosphäre jener Jahre erlebt?

Gilliam: Die Sechziger waren eine besondere Zeit, alles war ein einziger Frühling, Leute haben herumexperimentiert, nicht nur mit Drogen, auch mit Lebensstilen. Wir fingen an zu glauben, wir würden eine neue Welt erschaffen. Dann kam alles anders, und der Beginn der 70er war deprimierend. Die Leute waren orientierungslos und verwirrt. Die Aufnahmen von Demonstrationen und Massenaufmärschen, die wir im Film verwenden, haben mich erst daran erinnert, daß das tägliches Leben war. Das gibt es heute nicht mehr: Da läuft niemand herum und protestiert, versucht, Sachen zu ändern! Es ist eine ganz angenehme Zeit heute, aber niemand scheint sich viele Gedanken zu machen, jeder versucht, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Deswegen habe ich den Film gemacht: um die Leute daran zu erinnern, wie es war.

K!N: Wo waren Sie 1971?

Gilliam: Ich war in England, nachdem ich die Staaten 67 verlassen hatte. Ich bin geflohen – aus denselben Gründen, aus denen Hunter dieses Buch geschrieben hat. Wenn ich in Amerika geblieben wäre, hätte ich wahrscheinlich angefangen, Bomben zu schmeißen. So wütend war ich darüber, wie sich die Gesellschaft entwickelte. Alles bewegt sich auf die Mitte zu, aber ich mag gerade die Ränder: Es ist dort einfach interessanter, sie haben Abenteuer zu bieten, überraschend und lehrreich. Es ist auch unangenehm, schmerzhaft und gefährlich. Aber darum geht es ja gerade!

K!N: Gehört Drogengenuß für Sie zum Austesten der Ränder dazu?

Gilliam: Mich hält Kaffee bei der Arbeit – eine sehr starke und gefährliche Droge. Tequila erweitert meinen Wortschatz, Single Malt Whiskys verbessern meinen Zeichenstil. Die meisten anderen Drogen lassen mich einfach implodieren, sie tun mir nicht gut. Der Kater nach Kokain ist so furchtbar, daß ich es wirklich nicht empfehlen kann, und der nach Valium ist kaum besser. Was immer du mit Drogen vorhast, du solltest es mit Vernunft tun. Ecstasy zum Beispiel hat die größten Mißehen gestiftet, weil der oder die andere im Drogenrausch so gut aussah – eine sehr gefährliche Droge also; allein, was so eine Scheidung kostet … Puh!

K!N: Das könnte erklären, warum der Film nicht gerade zum Drogenkonsum anstiftet …

Gilliam: Dies ist ein ehrlicher Drogentrip mit seinen Höhen und Tiefen und nicht einfach: Du wirst high und alles ist klasse und groovy. Wir haben Alpträume geschaffen, und ich sehe Las Vegas als die verschiedenen Stufen der Hölle in Dantes Inferno. Duke ist Dante und Gonzo ist Vergil, ein heidnischer Dichter, eine heidnische Gottheit wie Pan, er ist Chaos und amoralisch. Duke jedoch ist ein Moralist.

K!N: Und wie paßt der Krokodilsschwanz, den Johnny Depp die Hälfte des Films trägt, in diese Allegorie?

Gilliam: Das ist etwas anderes. Ich bin eines Morgens aufgewacht und habe gesagt: Das machen wir! Das ist der Spaß beim Filmemachen: Du machst deine Hausaufgaben, du planst, du diskutierst, du strukturierst und beim Drehen wirfst du alles über den Haufen, sagst: Fuck it, wir machen das jetzt ganz anders!

K!N: Man hört seit einiger Zeit von einer bevorstehenden Monty-Python-Reunion. Was ist da dran?

Gilliam: Ich höre auch immer wieder davon. Die meisten anderen wollen es wohl machen, aber ich bin derjenige, der da nicht ganz so sicher ist. Ich gelte zur Zeit als schwierig. Eric Idle spricht von mir nur noch als „Ginger Python“.

Interview: Rolf von der Reith

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