Texas: Kreative Säfte
„Hi“ nennen Texas ihr zehntes Album. Doch die Songs von Sängerin Sharleen Spiteri und Gitarrist Johnny McElhone sind origineller als der Titel.
„Du redest wie ein Journalist“, mokiert sich Sharleen Spiteri irgendwann halb im Spaß. „Ich weiß, wie ihr tickt. Der Vater meiner Tochter Misty ist Journalist, ich habe lange Jahre mit ihm zusammengelebt.“ Und während man so am anderen Ende der Zoom-Leitung hockt und sich fragt, ob die 53-jährige Sängerin von Texas, auf dem Sofa neben sich der schlafende, niedlich verwuschelte Hund, nun eventuell zu einer Art Medienschelte ansetzt, löst die Schottin auf. „Das war ein Kompliment. Ich bewundere es, wie präzise ihr eure Gedanken in klare Worte verwandeln könnt. Ich arbeite als Songschreiberin genau gegenteilig. Die Ideenfetzen umschwirren mich lange wie Mücken, und manchmal gelingt es mir, einen dieser vagen Gedanken festzuhalten und zu etwas Spezifischerem auszuarbeiten.“
Im Jahr 1989, als Spiteri gerade mal aus der Schule raus war, gelang ihr im Verbund mit ihrem Kompagnon, dem Texas-Gitarristen Johnny McElhone, dieses Kunststück gleich mit der Debütsingle „I don’t want a Lover“. Es schlossen sich eine lange Reihe weiterer Erfolgssongs an, die alle irgendwo zwischen geschmeidigem Alternative Rock und Soulpop chargieren. Ihren größten Erfolg feierten Texas dann 1997 mit der Single „Say what you want“ und dem Album „White on Blonde“. Spiteri wägt ab: „Den optimalen Trick, einen Song festzunageln, gibt es nicht – jedenfalls nicht für mich. Bei der kreativen Arbeit zu viel zu analysieren, kann ein Lied für immer kaputtmachen.“ Seit drei Jahren ist sie nun mit einem britischen Promi-Koch verheiratet, dessen Arbeitsweise ihrer eigenen deutlich näher komme. „Mein Mann ist Profi, aber er liebt es, das Rezept immer ein wenig zu ignorieren und mal diese und mal jene Zutat zusätzlich in das Gericht zu werfen.“
Für das zehnte Album „Hi“ haben sich Spiteri und McElhone an ungewohnter Stelle inspirieren lassen: bei sich selbst. Ursprünglich wollten sie für eine Jubiläumsversion von „White on Blonde“ bloß ein paar alte Nummern entstauben, die sie quasi auf dem Dachboden gefunden hatten. „Doch dann sind unerwartet unsere kreativen Säfte geflossen“, sagt Spiteri. Die neuen Lieder sind schön euphorisch, die Schott*innen geizen nicht mit hübschen Melodien, mit Bläsern, mit allem möglichen, und sogar der Wu-Tang Clan, einst schon auf „Say what you want“ dabei, tritt im fetzigen Titelsong erneut auf den Plan.