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The Alice Band

Drei Mädchen für Bobby

Die britisch-amerikanische Girlieband The Alice Band orientiert sich nicht am Britney-Pop. Sondern – überraschend – an Dylan und Young.

Um Himmels Willen, nein. Amy Lindop möchte nicht ihrem Vorfahren Abraham Lincoln nacheifern und Präsidentin der Vereinigten Staaten werden. „Als Politikerin“, sagt sie, „wäre ich nicht smart genug. Ich lüge zu schlecht.“ Die 19-Jährige macht lieber Musik. Gemeinsam mit der Amerikanerin Charity Hair und der Irin Audrey Nugent gründete die Schottin The Alice Band. Eine märchenhafte Girlie-Gruppe? Jein. Natürlich ist das Trio ebenso bezaubernd wie „Alice im Wunderland“. Aber naive Pop-Prinzessinnen sind die Drei keineswegs. Ihr Styling ist ihnen, ehrlich gesagt, egal. „Wir werden nicht dafür bezahlt, dass wir bestimmte Klamotten tragen“, blafft Audrey. „Schließlich sind wir Musikerinnen, keine Models.“

Wie ernst die Alice Band ihren Job nimmt, beweist ihr Debüt „The Love Junk Store“. Sämtliche Songs komponierten die Mädchen selbst. Ihr folkiger Gitarrenpop bewegt sich irgendwo zwischen Suzanne Vega, Joni Mitchell, Corrs und Cowboy Junkies. „Wir beziehen uns auf traditionelle Musik“, erklärt Charity. „Jede von uns bringt beim Songwriting ihre kulturellen Einflüsse und persönliche Erlebnisse ein.“ Mit „January’s Child“ etwa reflektiert Charity ihre Zeit in New York. „Ein Winter in dieser Stadt ist ein wahrer Albtraum“, erinnert sie sich. „Es schneit, es ist grau – du fühlst dich miserabel.“

Wer emotional derart tief schöpft, beeindruckt zwar die Kritiker. Sich mit dieser melancholischen Musik in den Charts gegen den fröhlichen Pop einer Britney Spears durchzusetzen, dürfte jedoch schwierig werden. „Interessiert uns nicht“, kontert Audrey. „Wir sehen uns nicht in der Rolle der neuen Spice Girls.“ So populär wie Victoria Beckham will die Alice Band nicht werden – niemals. „Ich käme nie auf die Idee, das ‚Hello’-Magazin zu meiner Hochzeit einzuladen“, versichert Amy. „Mein Privatleben ist für die Öffentlichkeit tabu.“

So ganz doch nicht: „Arabella“-Zuschauer konnten beobachten, wie sie vor laufender Kamera ihrem Freund um den Hals fiel. Die Redaktion hatte den Amerikaner heimlich in die Sendung eingeladen. „Ich war völlig ahnungslos“, gesteht Amy. „Als mein Freund vor mir stand, konnte ich’s kaum glauben.“ -Freudentränen, zärtliche Umarmung, danach ein paar gemeinsame Tage in Berlin – diese Glücksmomente wird die Sängerin nie vergessen. Doch jetzt steht wieder die Karriere an erster Stelle. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen will Amy in die Fußstapfen von Neil Young und Bob Dylan treten. „Wer Gitarre spielt“, behauptet Audrey, „stößt früher oder später auf diese Ikonen. Wenn ich eines Tages so großartige Texte und Melodien wie sie schreibe, habe ich mein Ziel erreicht.“

Große Träume. Zunächst aber begnügt sich die Alice Band damit, ihrem Idol Bob Dylan mit dem Lied „Tambourine Song“ Referenz zu erweisen – und im Vorprogramm seiner Irland-Tour zu spielen. Oder alte Weisheiten Marilyn Monroes im Stück „Nothing but the Radio“ heraufzubeschwören. Ihr berühmtes „Ich habe nichts an außer dem Radio“ beeindruckte Charitiy schon als Kind: „Mir wurde klar: Was andere von mir halten, ist egal. Ich muss mich selbst akzeptieren.“

Die 22-Jährige Amerikanerin suchte schon früh nach dem eigenen Weg, zog mit 18 nach London. Weil sie zunächst keinen Plattenvertrag bekam, schlug sie sich mit Gelegenheitsjobs durch. Wer weiß, was aus ihr geworden wäre, hätte sie nicht Amy und Audrey getroffen … Doch diesen Gedanken mag Charity nicht weiterspinnen. Für sie zählt das Hier und Jetzt: „Wir genießen unseren ersten Erfolg. Solange unsere Musik die Menschen berührt, sind wir glücklich.“

Solche 08/15-Sätze klingen wie auswendig gelernt. Dennoch versteckt sich die Alice Band nicht hinter PR-Phrasen. Die Mädchen sind ehrlich, vielleicht zu ehrlich. „Jede von uns kann die anderen mit ihrem Eigensinn in den Wahnsinn treiben“, gesteht Amy. Es gibt Streit, weil Charity ihre Umwelt schikaniert. Oder Amy zu viel qualmt. Oder Audrey gegen alles ist. Zicken-Terror? „Quatsch“, sagt Amy. „Wir verstehen alle Spaß.“

Dagmar Leischow

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