„The Day my Father my died“ von SYML: Dialoge im Dunkeln
Brian Fennell alias SYML zieht Bilanz – doch vor allem ist es ein Check für seine Hörer:innen: Wer bei den Songs von „The Day my Father died“ nicht ergriffen ist, hat kein funktionierendes Herz.
Sein verstorbener Vater, so erzählt Brian Fennell, sei ein guter Vater gewesen – selbst wenn er immer ausgesprochen hohe Erwartungen an seinen Sohn gehabt habe. „Er hat als Manager bei Boeing gearbeitet, und es ist ihm schwergefallen, dieses Führungskraftbenehmen bei uns zu Hause abzulegen. Er hat gern die Ansagen gemacht. Richtige Freunden sind wir erst geworden, als ich erwachsen gewesen und selbst Vater geworden bin.“ Brian hat mittlerweile drei Kinder im Alter von acht, sechs und einem Jahr, und sein Vater ist vor einigen Jahren an Krebs gestorben. Das neue Album „The Day my Father died“ ist ihm gewidmet, wie zuvor auch schon die EP „DIM“ aus dem Jahr 2021. „Während die Songs damals einfach nur meine Trauer zum Ausdruck gebracht haben, entdecke ich auf dem neuen Album neben dem Vermissen auch mehr und mehr dieses schöne Gefühl der Dankbarkeit und der Freude darüber, meinen Vater gekannt zu haben.“ Zumal er sich mit zunehmendem Alter emotional immer stärker geöffnet habe. „Ich erinnere mich, wie wir einmal am Strand laufen gewesen sind, als er schon krank war und wusste, dass er nicht mehr lange leben würde. Er hat mir damals gesagt, wie lebendig er sich fühle und wie wunderbar dieses Leben doch sei. Das hat mich tief bewegt.“
„Irgendwann habe ich aber die manipulativen Elemente in dieser märchenerzählenden, latent radikalen Vereinigung namens Christentum durchblickt“
Brian Fennell ist jetzt gerade 40 geworden. Ungefähr Halbzeit, in jedem Fall ein guter Moment für eine Bestandsaufnahme. Der Mann, dessen biologische Eltern aus Wales stammen – SYML ist walisisch für „simpel“ – und der bei seinen Adoptiveltern in Seattle aufgewachsen ist, hat eine herrliche Falsettstimme. Man hört ihm beim Singen wirklich sehr gerne zu, und seine behutsam elektrifizierten, hier und da aber auch akustisch im Stil von Simon & Garfunkel gehaltenen Songs sind ausnahmslos geschmackvoll. SYML hat ein tolles Händchen für gefühlvolle, dem Leben und Feinheiten wie der Liebe zugeneigte Songs: „Howling“ und „Marion“ sind etwa unverstellte Huldigungen an den Zauber von Frau Fennell. Pop für Stadien ist das alles eher nicht, laut und lärmend schon gar nicht. „Grunge habe ich nie gemocht, auch wenn ich der Stimme von Kurt Cobain durchaus verfallen bin“, grenzt er sich von den musikalischen Helden seiner Heimatstadt ab. Doch wer – am besten mit Kopfhörern und im Dunkeln – ein traurig-wonniges Kindheitserinnerungslied wie „Corduroy“ hört und nicht ergriffen ist, der hat kein vernünftig funktionierendes Herz. „Ich war ein sanfter Junge, der am liebsten Cordhosen getragen hat“, sagt Fennell und lächelt.
SYML, der schon früh Klavier gespielt, mit 18 das Songschreiben begonnen und als Sänger der Indieband Barcelona über viele Jahre immer kurz vorm Durchbruch gestanden hat, ist vor allem über die Kirche zur Musik gekommen. Als Teenager ist er dem Glauben sehr verbunden gewesen, hat regelmäßig in Gottesdiensten gespielt und die Geborgenheit in seiner Gemeinde geschätzt. „Irgendwann habe ich aber die manipulativen Elemente in dieser märchenerzählenden, latent radikalen Vereinigung namens Christentum durchblickt“, erklärt er seine spätere Abkehr. Der Song „Tragic Magic“ greift nun noch einmal die innere Zerrissenheit als verzweifelter Gläubiger auf.
Ob er die hohen Erwartungen seines Vaters erfüllt hat? Brian Fennell überlegt kurz, dann lächelt er und bejaht. „Er hat noch miterleben können, wie ich ein paar großartige Dinge in meiner Karriere erreicht habe, in die Charts gekommen bin und Songs in Filmen und TV-Serien platzieren konnte. Aber viel mehr noch hat ihm es bedeutet, als er gesehen hat, wie glücklich unsere Kinder, meine Frau Marion und ich zusammen sind.“