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The Hateful 8

Quentin Tarantino lässt in seinem grimmigen Schneewestern-Kammerspiel „The Hateful 8“ vom Hass zerfressene Genre-Archetypen aufeinander los.

Quentin Tarantinos achter Spielfilm „The Hateful 8“ belegt alte Schwächen – überrascht aber auch mit ungeahnten Qualitäten. Tarantino gilt nicht nur als Meister des filmischen Popkultur-Flickenteppichs, sondern auch als passionierter Neuverwerter obskurer oder vergessener Musik. Noch nie aber hat er einen Soundtrack vergleichbar in die Erzählung eingeflochten wie in „The Hateful 8“: Neben Ennio Morricones großartigem Score sind hier diverse Stücke zu hören, die Morricone einst für John Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“ komponierte, die es aber nicht in den Film schafften.

Die Schnittpunkte beider Filme sind offensichtlich: Ein begrenztes, isoliertes Setting, Schnee, Blut – und Kurt Russell. Statt Forschern in einer Polarstation versammeln sich in Minnies Miederwarenladen zahlreiche Western-Archetypen, darunter: „Der Henker“, „Der Kopfgeldjäger“, „Der Cowboy“. Und statt extraterrestrischer Wesen ist es der Hass, der nach einer überlangen, durch Tarantinos Gespür für Details und räumliche Tiefe aber enorm atmosphärischen Exposition aus den Figuren herausbricht. All der Hass, den fünf Jahre Sezessionskrieg im Herzen des gespaltenen Amerikas aufgestaut hat und der nun bloß auf eine Gelegenheit wartet, die von Rachsucht zerfressenen Figuren aufeinander loszulassen. Gleich zu Anfang wird die Hütte symbolisch in Nord und Süd unterteilt.

Wie sich die Sympathien im Sekundentakt verschieben, bis schließlich gar keine mehr übrig sind, das ist stark – und im Kern so düster und nihilistisch, dass Humor und Coolness umso deplatzierter wirken. „The Hateful 8“ ist natürlich noch immer ein Film von Tarantino, dessen Stilrepertoire sich merklich erschöpft hat. Auch der Grat zwischen genreinhärenter Härte und zynischer Gewaltfreude ist schmaler denn je, wenn Köpfe in Nahaufnahmen explodieren und Samuel L. Jackson anschließend lässig mit gezückter Waffe posiert. Brillant wiederum: die völlig entfesselte Jennifer Jason Leigh als Daisy Domergue, von der man trotz Ketten und Schweigsamkeit von Anfang an erahnt, dass sie der gefährlichste Charakter von allen sein könnte. Leigh legt sie als eine Art psychotisch-undurchschaubare Version von Ally Sheedys Rolle in John Hughes‘ „Breakfast Club“ an – auch ein Kammerspiel. Die Referenzen sind hier weniger offensichtlich als sonst, insgesamt fährt Tarantino seine Zitierwut merklich zurück. Würde das auch für andere Stilmerkmale gelten: „The Hateful 8“ wäre in seiner Dichte, seiner Roh- und Verwegenheit sein bester Film seit langem. (sb)

„The Hateful 8“ ist auf DVD und Blu-ray im Handel erhältlich.

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