„The Pursuit of Love“ bei One und in der ARD-Mediathek: Englische Liebschaften
In der BBC-Adaption von dem 1945er Roman „The Pursuit of Love“ brechen zwei junge Frauen aus Konventionen aus, um die Liebe – koste es was es wolle – zu finden.
England, 20. Jahrhundert, Aristokratie: Drei Schlagworte, die den Rahmen der seit heute im ARD laufenden BBC-Serie „The Pursuit of Love“ (ab sofort in der ARD-Mediathek streamen) unweigerlich aufmachen und etwas klischeevorbelastet einen Voreindruck à la „Bridgerton“ oder „Sanditon“ im Kopf festmachen. Doch das unter Regie von Emily Mortimer laufende Period-Drama setzt sich in Windeseile ab von etwaigen Vorannahmen und mutiert vielmehr zu einer satirischen Adaption des so beliebten Romance-Settings.
Dabei hätte die gelernte Schauspielerin Mortimer („Shutter Island“, „The Kid“) in ihrem Debüt als Regisseurin leichtes Spiel gehabt, in ähnliche Kerben wie die populären Serien zu schlagen. Der gleichnamige Roman von Nancy Mitford aus 1945 bietet genug stereotypische Ankerpunkte an, um ein klassisches Historiendrama daraus zu spinnen: reiche Familien in hohen Ständen, Elitenpartys, versteinerte Familienoberhäupter, die mit harter Hand die Familie zusammenhalten wollen und daraus ausbrechen wollende Kindeskinder. Doch Puristen müssen sich ein wenig lockern, denn Mortimer setzt die 80 Jahre alte Erzählung geschickt um und spickt sie mit vielen humoristischen, unter der Oberfläche verschwindenden modernen Polituren. Die beiden Hauptcharaktere Linda Radlett (gespielt von der starken Lily James) und Fanny Logan (verkörpert von einer nicht minder starken Emily Beecham) sind Cousinen, beste Freundinnen (und unterschwellig mehr als das), die auf dem Anwesen des Haus Alconleigh ein in Normen gepresstes Leben führen.
Streben nach Veränderung
Die beiden jungen Frauen streben, auch getrieben durch die exzentrisch bis gewaltvolle Führung des patriarchalen und xenophoben Onkel Matthew, immer mehr nach dem Ausbruch aus den aristokratischen Konventionen. Je mehr der grandios von Dominic West gespielte Onkel den beiden vorschreibt, dass sie absolut kein Leben außerhalb der Grenzen Alconleighs haben sollen, desto mehr verschlägt es die beiden hinaus – immer getrieben durch die eigens erträumten Formen von Liebe, die sie draußen erwarten sollen.
„Alles, was sie jemals brauchen werden, haben sie hier“ ist die Devise des peitschenschwingenden Matthew, der zum Spaß auch schon mal die Bluthunde auf die jüngeren Familienmitglieder loslässt. Dem entgegen steht die alles überschattende Aussage Lindas im Zentrum, dass sie gefangen seien, und innerhalb weniger Minuten der Serie verfestigt sich dieser Eindruck auch. Gerade Linda strebt ununterbrochen nach einer perfekten Liebe, nach dem einen Menschen fürs Leben und wirft den Blick dabei immer stärker auf potenzielle Männer wie den in der Nachbarschaft herrschenden Lord Merlin (wunderbar liebenswürdig gespielt von Andrew Scott) oder den Bankierssohn Tony (wunderbar unliebenswürdig gespielt durch Freddie Fox).
Streben nach Liebe
Fanny ist indes stark geprägt von ihrer Mutter Bolter (hier gespielt von der Regisseurin selber), die der Monogamie vor längerer Zeit abgeschworen hat und seitdem ihre Tochter bei ihrer Schwester Emily mehr oder weniger abgeladen hat, um von Mann zu Mann zu wandern. Während Fanny – vielleicht auch genau durch diesen Umstand – noch deutlich vorsichtiger nach einem Schritt ins Leben außerhalb des Käfigs sucht, ist Linda deutlich forscher und wirft sich geradezu in eine Ehe hinein, die nicht nur dem notorisch nie zufriedenzustellenden Onkel Matthew nicht gefällt.
Genau diese atemlos bis energetischen Szenerien zeichnet Mortimer in ihrem Skript herrlich nach. Die Wirrungen zweier künstlich geformten und unten gehaltenen Adelssprösslinge werden durch die beiden noch mitten in ihrem persönlichkeitsbildenden Stadium steckenden Hauptdarstellerinnen immer wieder liebevoll aufgezeigt. Unter dem Deckmantel juveniler Sinneskrisen verstecken sich abwechselnd Melancholie und dann doch wieder eine ganze Menge an aufgestautem Schmerz, der durch viel erzwungene Zurückhaltung zugenommen hat.
Durch energetisches Pacing und schnelle Szenensprünge werden genau diese auch filmisch eingefangen. Innerhalb weniger Momente lernt Linda ihren Ehemann kennen, verlobt sich und hat ihn noch vor der Eheschließung schon wieder satt. Plots dieser Art machen Mortimers Adaption des damaligen Kassenschlagers von Mitford (200 000 verkaufte Bücher im ersten Jahr; zu der Zeit ein riesiger zahlenmäßiger Erfolg) so speziell: Immer wieder ertappt man sich beim Schauen dabei, dass man die Stränge ähnlich wie bei „Bridgerton“ und Konsorten einordnen möchte und doch schwingt immer so eine gewisse andere Ebene mit. Die Ebene, die der dreiteiligen Reihe einen optionalen zum Lachen überspitzten Unterboden mitgeben, der aber nicht mal nötig für das gesamte Serienerleben ist.