The Stranglers
Einst galten die Stranglers als arroganteste Band der Welt, als sexistische, prügelwütige Punk-Proleten. Anlässlich eines neuen Live-Albums und der anstehenden (kulturnews-präsentierten) Tournee hält Bandgründer Jean-Jacques Burnel Rückschau auf 25 Jahre Bandgeschichte.
city.mag: Jean-Jacques, standen damals, Mitte der Siebziger, Sex Pistols und Stranglers eigentlich in Konkurrenz?
Burnel: 1975 und 1976, als noch keine von den Punkbands einen Plattenvertrag hatte, war es eine kleine freundschaftliche Szene. Als Punk immer mehr in Mode kann, haben sich plötzlich alle die Haare abgeschnitten, und es entstanden Hip-Clubs wie das Roxy. Mit den Plattenverträgen kam auch das Konkurrenzdenken; viele Freunde wurden plötzlich zu Feinden. Einmal kam die spätere Pretenders-Sängerin Chrissie Hynde mit Steve Jones und Paul Cook von den Sex Pistols zu einer unserer Shows und sagte: Ich werde eure Sängerin. Ich antwortete: Nein. Wir werden dich nicht einmal als Roadie beschäftigen. Dafür hätte sie mir dankbar sein sollen. Was übrigens bis heute nicht geschehen ist. Auch die Sex Pistols und The Clash gehörten zum feindlichen Lager. Irgendwann sah es so aus, als ob alle gegen die Stranglers wären: die Bands, die Presse, das Publikum, die Plattenfirmen. Das hat uns bestärkt. Wir wollten niemals zu Punk-Stereotypen werden.
city.mag: Die Musik als Ventil für Aggressionen?
Burnel: Auf jeden Fall. Wir kämpften jede Nacht gegen das Publikum, das uns mit Flaschen und Gläsern bewarf, Backstage ging es munter weiter. Irgendwann lief in London nichts mehr, und wir haben uns auf die Provinz konzentriert. Unser Image hatte sich auch dort bald herum gesprochen, und die Leute kamen nicht mehr wegen der Musik, sondern wegen der Randale. Wir waren schon ziemliche Schlägertypen, und alle haben uns Respekt gezollt. Wenn ich das Roxy betrat, hat Sid Vicious sofort seine Klappe gehalten.
city.mag: Was für ein Typ war Sid Vicious?
Burnel: Er war albern, dumm und schwach. Er konnte nicht besonders gut Bass spielen. Er hing an der Nadel und hat seine Freundin im Rausch erstochen. Der Einzige, der bei den Sex Pistols musikalisch etwas auf dem Kasten hatte, war Glen Matlock. Und den haben sie rausgeschmissen, weil er für einen Punk viel zu nett war. Damals haben alle Drogen genommen. Ich besaß Geld und konnte mir den Stoff kaufen, wann immer ich wollte. Heroin ist wie ein Vampir, es saugt deine Seele und deinen Geist aus. Was es dir gibt, nimmt es sich hundertfach zurück, bis du zu einer leeren Hülse geworden bist. Wenn du Heroin nimmst, kannst du keinen Job der Welt vernünftig ausüben. Irgendwann kannst du auch deine Verpflichtungen als Mann nicht mehr erfüllen – was noch viel schlimmer ist.
city.mag: Wieviel Hotelzimmer haben die Stranglers verwüstet?
Burnel: Wir haben sehr früh beschlossen, keine Hotelzimmer zu demolieren. Das haben die Rockdinosaurier gemacht. Dafür haben wir eine ganze Reihe Bars verwüstet. Wir mussten uns ständig neue Namen ausdenken, um überhaupt noch Konzerte zu bekommen: The Shakespearoes, The Old Heroes, The Old Coches. Konflikte können sehr kreativ sein.
city.mag: Ihr habt Lieder geschrieben über Voyeure und Männer, die ihre Frauen schlagen, und wurdet dafür als Sexisten gescholten.
Burnel: Wir verstanden uns als Journalisten, die in ironischer Weise über gesellschaftliche Phänomene berichteten: über prügelnde Männer, UFOs, Drogen, Religion, Kannibalismus, Politik, Rassismus, den Papst – leider hat man unseren Humor nur selten kapiert.
city.mag: Die Stranglers sind die einzigen Überlebenden der Punk-Revolution. Wie habt ihr das geschafft?
Burnel: Um ehrlich zu sein: Wir haben es irgendwann ruhiger angehen lassen. Heute spielen wir nicht mehr allzu viele Konzerte. Wenn du nur noch Bühnenbretter und Hotelzimmer siehst, ist das der Produktivität nicht gerade zuträglich. Man brennt aus – das wollen wir verhindern. Ausserdem möchte ich Gelegenheit haben, ab und zu meine Frau zu vögeln.
Interview: Olaf Neumann