Thomas Hammerl: „Einen Teil der GEZ-Abgabe als Kulturgebühr verwenden!“
Für Promoter Thomas Hammerl ist klar: der Kultursektor braucht einen völlig neuen Blick – mit kreativen Lösungen. Ein paar Ideen hat er schon parat.
Thomas Hammerl ist Print- & Online-Promoter der Deutschlandtourneen primär internationaler Musiker bei Hammerl Kommunikation und Autor der Anthologie my inspiration (Top-Kreative offenbaren ihre Erkenntnisse über Intuition, Inspiration, Kreativität, Flops und Erfolg).
„Der (möglicherweise gar bis Ende 2020) bestehende Lockdown des fast kompletten Kulturbereiches ist aus Gründen potentieller Ansteckungsrisiken verständlich, aber auch eine Katastrophe – für die Konsumenten ebenso wie für die vielen in diesem breitgefächerten Segment Tätigen. Wenn Amateurtheater, Arenen, Arthouse-Kinos, Kleinkunstbühnen, Konzerthallen, Live-Clubs, Musik-/Brauchtumsvereine et cetera geschlossen sind, Open-Air-Veranstaltungen, Straßenkunst, Subkultur und sonstige künstlerische Darbietungen öffentlich nicht stattfinden können, dann fehlt durch eine derart radikale Beschneidung Lebensqualität. Zudem besteht die große Gefahr, dass Diverses in diesen Bereichen den ‚Kulturinfarkt‘ nicht überleben und als Konsequenz die Vielfalt des Angebots unwiederbringlich minimiert wird.
Während der Fortbestand der ‚systemrelevanten‘ Wirtschaft finanzielle Unterstützung vom Staat erhält, hat Kultur in all ihren Facetten dort leider keinen adäquat hohen Stellenwert. Sie wird vielfach als ,Luxusgut‘ angesehen, obgleich Kultur zu den Fundamenten der Gesellschaft gehört. Spätestens dann, wenn die Wellen der Coronavirus-Pandemie abgeflacht oder bestenfalls ganz zum Erliegen gekommen sind, gehört das Thema in den Fokus, sind konkrete Maßnahmen zu seiner Rettung herbeizuführen. Primär wird es dabei vorrangig um Geld gehen. Dieses spielt für den nicht staatlichen Kulturbetrieb die wichtigste Rolle, um eine lange Durststrecke zu beenden – all das jedoch in Anbetracht ,der schwersten Rezession der Nachkriegszeit‘ (Spiegelonline) und einer sich massiv verschlechternden Finanzlage in Land und Stadt.
Deshalb ist es von eminenter Bedeutung, auf den kulturellen Sektor ab sofort mit völlig anderen Augen zu schauen als bislang. Denn: Ein schlichtes ,Weiter so!‘ kann und wird es nicht geben können. So sind jetzt positive Impulse und kreative Lösungen gefragt. Da darf selbst vor dem Schlachten bislang heiliger Kühe und dem Trockenlegen bereits viel zu lange geschützter Pfründe nicht zurückgescheut werden. Im Klartext: Die extreme Diskrepanz zwischen den von staatlicher Seite mit Milliarden subventionierten Opern-/Theaterhäusern/Kulturorchestern auf der einen und einem bunten, vom Publikum meist wesentlich stärker frequentiertem Kulturangebot auf der anderen Seite! Wie könnte der Weg aus jener Misere, für deren ‚Worst Case‘ Pessimisten längst apokalyptische Untergangsszenarien wie massive Flurbereinigung und die Vernichtung etablierter Existenzen in der Kulturszene prophezeien, aussehen? Ein Patentrezept gibt es nicht, aber die Gelegenheit zum historischen System-Umbau!
- Ausgangspunkt: ein überkonfessioneller Thinktank – erst auf Regierungsebene, dann in Bundesländern sowie Kommunen.Teilnehmer sind Kulturschaffende und aufgeschlossene politische Entscheidungsträger. Dort sollten statt von den üblichen Verdächtigen wie Partei-/Gremien-Günstlingen, Pöstchenprofiteuren, Wichtigtuern plus Profilneurotikern nur von wirklich kompetenten, fachkundigen Personen – ohne Scheuklappen und Angst vor Tabuthemen oder Einmischung seitens Lobbygruppen/Gewerkschaften oder Feuilletonpäpsten – realistische Antworten (einheitlich trotz Föderalismus!) auf Fragen gefunden werden wie
- Welche Institutionen bekamen bislang wie viel Geld?
- Wo floss unverhältnismäßig viel Geld hin?
- Wo war es zu wenig?
- Wer/was ist in seinem Fortbestand gefährdet?
Nach der Analyse ist in dieser Arbeitsgruppe eine Diskussion zu führen – wertfrei und ohne Präferenzen für E(rnstes) oder U(nterhaltung). Einziges Ziel: ein optimaler, kluger Kompromiss für das zu erstellende, gut durchdachte Strategiekonzept im Sinne einer demokratischen, nationalen Kulturreform fernab elitärer Bevormundung wie bislang.
Überlegenswerte Ansätze dafür wären:
- Subjekt- statt Objekt-Förderung. Heißt: Anstelle autoritär verteilter Budgets eine sozialpolitisch motivierte Umschichtung des monetären Supports unter dem Aspekt der Gleichberechtigung für sämtliche Kulturinstitutionen = ,Kultur für alle!‘
- Erhebung einer – ähnlich der zurecht viel diskutierten „freiwilligen Zwangsabgabe“ für öffentlich-rechtliche Sender – sogenannten ‚Kulturgebühr‘. Finanzierung in Form von vielleicht einem Prozentpunkt der Mehrwertsteuer (die vermutlich ohnehin steigen wird). Oder stattdessen: Die Reduktion der überzogenen GEZ-Gebühren, die 2021 erneut erhöht werden sollen, auf ein sinnvolles Maß. Dort eingesparte Gelder würden die überfällige Restrukturierung der aufgeblasenen Apparate in Funk- und Fernsehhäusern erforderlich machen. Die Mittelumschichtung wird einer kulturell anderweitigen, tatsächlich breitenwirksamen Verwendung für sämtliche Altersschichten zugeführt!
- Kulturgutscheine zur freien Verwendung für die Mittelschicht/Bedürftigen.
- Abschaffung horrender, intransparenter Gebühren bei Online-Ticketagenturen!
- Gründung einer genreübergreifenden Interessenvertretung der kulturellen Branche (DKL = Deutsche Kultur Liga), die ähnlich der einflussreichen DFL (Deutsche Fußball Liga) bei der Politik stets auf offene Ohren stößt und ihr (weil Repräsentant eines multi-millionenschweren Wirtschaftsfaktors!) dort ein Top-Stellenwert eingeräumt wird. Sollte es nach dem Muster der mächtigen FIFA irgendwann eine internationale, nicht korrupte (!) Kultur-Organisation geben, so sollte diese auf Agenten, Managements und VIP-Künstler einwirken, damit Eintrittspreise zukünftig günstiger kalkuliert werden können, und darauf plädieren, dass sie eine soziale Verantwortung für ihre Zunft haben, anstatt dem persönlichen Profit Priorität einzuräumen.
- Eventuell entsteht aus dem crosskulturellen Szene-Netzwerk gar eine Bewegung, deren gesellschaftlich relevante Interessen ‚oben‘ und in der Fläche erhört werden.
Die Suche nach der besten, effizientesten Route aus der Krise muss stets intelligent-behutsam erfolgen, um politischen Streithälsen kein Wasser auf ihre rechtsdrehenden Mühlen zu gießen. Gelingt das, zeigt sich darin die Richtigkeit eines Ausspruches von Theodor Heuss. Der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland sagte 1951: „Mit Politik kann man keine Kultur machen, aber vielleicht mit Kultur Politik!“
Gleichfalls zeitlose Qualität beweist nicht erst in den aktuellen, turbulenten Monaten folgender Ausspruch des US-Bürgerrechtlers Martin Luther King: ,In jeder Krise gibt es nicht nur eine Chance, sondern auch eine Möglichkeit!‘ Resignation angesichts höchst problematischer Situationen ist keine Alternative. Mit gutem Willen, Engagement, Um-, Anders- und Neudenken sowie unkonventioneller, kürzlich noch unvorstellbarer Ideen, Perspektiven und Visionen könnten sich dann vielversprechende, attraktive Grundlagen für den zweiten Frühling einer zukünftig wieder aufblühenden Kulturlandschaft realisieren lassen. Denn eines steht heute schon fest: Nichts bleibt wie es war. Alles wird anders, weil, die Zukunft ändert ihre Richtung‘ (Matthias Horx)! Dabei gilt nach wie vor: Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt!