Thomas Stieger über sein Solodebüt „Choices“: Familienbande
Der vielbeschäftigte Jazzbassist Thomas Stieger hat lange gebraucht, bis endlich mal Zeit für sein Solo-Projekt war. Für „Choices“ hat er prominente Mitstreiter gefunden.
Thomas, dein Solo-Debüt klingt so ganz und gar nicht nach dem Werk eines Debütanten, sondern nach der Arbeit eines gereiften Künstlers. War bisher einfach keine Zeit für ein solches Projekt?
Thomas Stieger: Gute Frage. Ich habe mir tatsächlich bisher nie die Zeit für meine eigene Musik genommen, aber das musste jetzt eben mal alles raus.
Die Liste der Gäste auf „Choices“ ist ziemlich illuster. Wie kommt man an Leute wie Randy Brecker oder Will Lee?
Stieger: Mit Randy war ich schon auf Tour, so lernt man sich kennen. Über Simon Oslender habe ich Kontakt zu Will Lee bekommen. Das Jazzgeschäft ist ziemlich familiär. Ich kenne so viele tolle Menschen, und mit denen wollte ich eben meine Musik spielen.
Die Tracks sind streng durchkomponiert. Schreibst du für alle Instrumente die Partituren? Und siehst dich mithin als Bandleader?
Stieger: Ja, bei diesem Album habe ich tatsächlich alles auskomponiert, aber ich wollte den anderen auch Platz für Improvisation lassen. Formen, Melodien und die ganzen Ankerpunkte der Kompositionen sind von mir.
Einige Passagen sind fast kammermusikalisch aufgebaut und harmonisch sehr komplex. Lernt man am Jazz-Institut in Berlin, wo du studiert hast, klassisches Komponieren?
Stieger: Nein, per se lernt man das dort nicht. Aber es gab einen sehr guten Dozenten, bei dem ich viel über Tonsatz und Kompositionsgeschichte gelernt habe.
Ich vermute einfach mal, dass man solche Musik nur am Klavier schreiben kann. Bist du ein guter Pianist? Und wenn ja: Was hat dich zum Bass gebracht?
Stieger: Ach was. Ich kann nur ganz langsam Klavier spielen – irgendwie bekomme ich die Koordination meiner Händen da nicht hin. Aber ich schreibe viel auf der Gitarre, ich habe mit zehn oder elf Jahren angefangen, klassische Gitarre zu lernen.
Lass mich raten: Dann gab’s da in der Band schon drei Gitarristen, und einer musste eben den Bass nehmen. Das ist doch das klassische Schicksal von Bassisten. Habt ihr Streichhölzer gezogen?
Stieger: Ja, es war ungefähr so. In der Schul-Bigband wurde ein Bassist gebraucht, und ich wollte in dieser Band spielen. Das war der Moment, ab dem ich die Gitarre links liegen ließ.
Du arbeitest als Jazzmusiker, aber immer wieder auch mit Popkünstlern wie Sarah Connor oder Gregor Meyle. Sind das für dich zwei Welten oder am Ende doch einfach nur Musik?
Stieger: Am Ende ist das alles Musik, die man zum Klingen bringen will. Klar, im Pop kannst du deine eigene Persönlichkeit nicht so ausspielen wie im Jazz, sondern musst songdienlich spielen. Aber das macht Spaß, solange die Band gut ist.
Das „Choices“-Album hat sehr viele Momente, in denen mein Kopfkino anspringt. Schreibst du auch Filmmusik, oder hast du zumindest entsprechende Pläne?
Stieger: Schön, dass dir das so geht – das haben mir übrigens schon mehrere Leute gesagt. Ich denke auch viel in Bildern beim Komponieren. Aber bisher habe ich noch keine Filmmusik komponiert. Aber wer weiß? Kommt vielleicht noch.