Thomilla
In Benztown groovt es mal wieder gewaltig: Turntablerocker Thomilla hat sein zweites Solo-Album am Start. Und das nimmt ausgerechnet Rapper auf die Schippe.
Die Musik stoppt. In der rappelvollen Bar herrscht plötzlich entsetzte Stille. DJ Thomilla hat gerade von Partybesucherin Nancy eins aufs Maul gekriegt – weil ihr sein Style nicht gefiel. Die Dame greift zum Mikro und schreit: „I’m a freaky girl!”
Glück für Thomilla, dass es sich dabei nur um einen Ausschnitt aus seinem neuen Video handelt. Denn im wahren Leben gilt der Stuttgarter Blondschopf als Dancefloor-Füller erster Klasse. Die meisten kennen „Milla” als bedeutende Hälfte der Turntablerocker und Garant für besten Benztown-Flavour. „Ich habe eigentlich nur deshalb ein Solo-Album gemacht, weil Michi Beck gerade mit den anderen die nächste Fanta-4-Platte aufnimmt“, erzählt er. „Sonst läge hier auf dem Tisch wohl ein neues Turntablerocker-Album, und der Michi würde wieder mehr reden als ich.”
Thomilla muss lachen. Das mit dem Musizieren ist für ihn nämlich ganz einfach. Er ist ein Macher, kein Denker. Abgrenzungen zum Hauptprojekt oder Genre-Definitionen sind ihm zu kleingeistig. „Ich bin so ein Typ, der aus dem Bauch heraus entscheidet“, sagt er. „Das ist wie beim Auflegen: Alles muss spontan passieren.”
Entscheidungen musste der 30-Jährige für seine zweite Solo-CD „Freeze” einige treffen. Um seinen fetzigen Klangteppichen Charakter zu geben, suchte er sich mehr als ein Dutzend Vokalisten, die meist davon Freunde. „Das gegenseitige Featuren ist mir wichtig. Gemeinsam und nicht einsam – das ist meine Einstellung. Deshalb bin ich ja auch Produzent und DJ – und singe und rappe nicht auch noch selber.” Mit Superstars ködert Thomilla uns trotzdem nicht. „Die Plattenfirma meinte, ich hätte mir nach so langer Zeit im Business einen bekannten Künstler verdient. Aber Gwen Stefani hatte keine Zeit“, grinst er. „Außerdem reizt es mich mehr, einen Hit mit einem nicht so etablierten Act zu haben.”
So treffen sich auf „Freeze” eher Talente – und machen die Platte multikulturell und abwechslungsreich. Electroclash-Lady Soffy O. aus Berlin ist genauso dabei wie die Londoner Sängerin Ayak oder US-HipHopper Tyree Cooper. „Schon vor zehn Jahren, als ich noch im Plattenladen arbeitete, hat Cooper zu mir gemeint: Thomilla, you make a beat, I make a rap. Das hat sich in mein Hirn eingeprägt. ”
Obwohl er durch seine Arbeit mit Fanta 4, Afrob, Ferris MC oder Gentleman viele HipHop-Connections hat, wollte er auf sein eigenes Album allerdings Rap-arm halten. Im punkigen „Slap that Bitch” veräppeln er und die Hamburgerin Oezlem sogar die sabbelnden Pimps in ihren Pelzmänteln. HipHop dient ihm nur als Basis für seine 120 Beats die Minute. Ein gemäßigtes Tempo – bestens dazu geeignet, um im Auto mit dem Kopf zu wippen oder im Club drauf abzutanzen.
„Es ist auch ein Gruß aus dem Süden an die Szene Berlin-Mitte”, sagt Thomilla. Die dürfte es zähneknirschend registrieren, dass der Clip zu „Freaky Girl” schon auf Heavy Rotation im Musikfernsehen läuft. „Ich bin halt Steinbock“, grinst Thomilla, „wir sind Glückskinder!”
Katja Schwemmers