Tim Burton: Kult-Regisseur verfilmt Disneys „Dumbo“ neu
Der „Mars Attacks“-Macher lässt in seiner Realverfilmung mit Colin Farrell und Ex-Bond-Girl-Eva Green den fliegenden Elefanten wieder abheben.
Es dauert nicht mehr lange, bis wie „Dumbo“ nahezu jeder klassische Disney-Zeichentrickfilm im Zuge der groß angelegten Realfilm-Remake-Offensive zweitverwertet wurde – allein 2019 folgen noch Neuverfilmungen von „Aladdin“ und „Der König der Löwen“, auch andere Klassiker wurden schon mal mehr („Cinderella“), mal weniger („Die Schöne und das Biest“) gelungen generalüberholt. Da liegt es nahe, dem Milliardenkonzern Disney mangelnde Originalität und kapitalistisches Kalkül vorzuwerfen, und natürlich ist das auch nicht falsch. Und doch: Selbst inmitten des Einerleis biederer Eins-zu-eins-Kopien dutzendfach erzählter Geschichten können erstaunliche Dinge geschehen – zum Beispiel, dass Tim Burton, der 2010 höchstselbst das „Alice im Wunderland“-Remake an die Wand gefahren hat, ausgerechnet im Rahmen eines Disney-Blockbusters mit „Dumbo“ seinen besten Film seit langem dreht.
Voller Spielfreude und Fabulierlust
Von Anfang an nimmt Burton sanfte Verschiebungen vor: Wo im nicht minder herzzerreißenden Originalfilm von 1941 die Menschen nur bedrohliche Schemen waren, gibt es in der Neuinterpreation mit dem Kriegsheimkehrer Holt (Colin Farrell) und seinen Kindern Milly (Nico Parker) und Joe (Finley Hobbins) menschliche Sympathieträger, und den herzig animierten Titelhelden bringt nicht mehr der Storch, der als Reminiszenz und Schicksalsbote trotzdem auf dem Dach eines Zirkuswagens sitzt. Burton nutzt das Milieu als bunte Spielwiese voller Details und visuellem Humor, der Verlauf ist zunächst trotzdem bekannt: Dumbo wird vom Publikum für seine riesigen Ohren ausgelacht, und als seine Mutter ihn beschützen will, läuft die Vorstellung aus dem Ruder. Die alte Elefantenkuh wird verkauft, und Joe und Milly machen zufällig die Entdeckung, dass Dumbo seine Ohren als Flügel benutzen kann. Doch erst als mit dem verschlagenen V. A. Vandevere (erst hysterisch komisch, später diabolisch: Michael Keaton) ein vermeintlicher Gönner ins Spiel kommt, der aus dem einfachen Zirkus einen Themenpark machen will, reißt Burton den Film vollends an sich: Vandeveres Dreamland ist eine Art bizarre Albtraum-Version von Disney World – man kann es ruhig subversiv nennen, wie der Regisseur sich hier über seinen Geldgeber lustig macht –, und wo Dumbo im alten Film noch Alkohol brauchte, um rosa Elefanten zu sehen, pflegt Burton die Traumsequenz wie selbstverständlich in seine Welt ein. „Dumbo“ ist durch und durch sein Film, angetrieben von Spielfreude, gestalterischer Fabulierlust und bedingungsloser Solidarität mit den Außenseitern. Irgendwann, wenn die noch folgenden Versionen von „Arielle“ oder „Der Glöckner von Notre Dame“ womöglich längst vergessen sind, könnte dies der eine Film sein, an den man sich erinnert. msb
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