Tim Burton
Tanz der Toten: Tim Burton hat ein Faible für die Verstorbenen. In seinem neuen Animationsfilm heiraten gar Leiche und Lebender. Was fürs Herz – wenn’s denn noch schlägt …
_ulysses: Mister Burton, „Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche“ ist nach „Nightmare before Christmas“ Ihr zweiter Puppentrickfilm. Haben Sie schon als Kind gern mit Puppen gespielt?
Tim Burton: Das nicht, aber ich habe schon immer gerne Monsterfilme gesehen, besonders die von Ray Harryhausen. Stop-Motion-Filme wie „Sinbads siebte Reise“ oder „Die geheimnisvolle Insel“ haben ganze Generationen von Filmemachern inspiriert – auch mich. Seine Plastikkreaturen hatten für mich immer mehr Persönlichkeit als die echten Darsteller, und ich fand es jedes Mal tragisch, wenn sie sterben mussten.
_ulysses: Um das Thema Tod geht es wie vielen Ihrer Filme auch in „Corpse Bride“. Warum fühlen Sie sich davon so angezogen?
Burton: Ich bin in einem Vorort von Burbank, Kalifornien, großgeworden. Ein Sonnenstadt, und trotzdem empfand ich meine Umwelt wie die Nacht der lebenden Toten. Alles war so ernst und geordnet, über den Tod sprach man schon gar nicht, weil er als etwas Schlimmes empfunden wurde. Da ich aber nahe der Grenze zu Mexiko wohnte, war ich fasziniert, wie man dort mit Tod umging. Es gibt sogar einen ganzen Tag, an dem die Toten gefeiert werden mit Skeletten, Tanzen und Singen. Ein sehr humorvoller Umgang, der mich immer angesprochen hat.
_ulysses: Hat das auch damit zu tun, dass man Sie stets in schwarzer Kleidung antrifft?
Burton: Da steckt keine Bedeutung hinter. Ich mache mir nur nichts aus Kleidung. Ich will beim Aufstehen nicht erst überlegen müssen, was ich heute anziehen soll und auf welche Farbe ich Lust habe. Ich kleide mich schwarz, um mehr Ruhe und Zeit für andere Dinge zu haben. Manchmal lasse ich mir von einem T-Shirt sogar zehn anfertigen, um mich damit nicht weiter belasten zu müssen.
_ulysses: Inzwischen leben Sie in London, wo es kälter und dunkler ist als in Kalifornien …
Burton: Na und? Ich hatte genug vom schönen Wetter. Außerdem gehe ich gerne spazieren. Wenn man in Los Angeles durch die Straßen läuft, wird man sofort schief angeguckt. Man wird gleich für einen Obdachlosen gehalten und von der Polizei gestoppt. In Los Angeles ist ein Spaziergang anscheinend nicht erlaubt.
_ulysses: „Charlie und die Schokoladenfabrik“ haben Sie in echten Kulissen gedreht, „Corpse Bride“ist im Stop-Motion-Verfahren entstanden. Würden Sie sich als einen altmodischen Filmemacher bezeichnen?
Burton: Ich habe nichts gegen die technischen Errungenschaften beim Film und nutze sie, wenn es nicht anders geht. Aber wenn ich ehrlich bin, mag ich die Art, wie man Filme früher gedreht hat. In echten Kulissen hat man eine viel stärkere emotionale Bindung zu dem Ganzen, als wenn später alles am Computer hineinkopiert wird. Für „Corpse Bride“ brauchten wir über zehn Jahre, weil es immer schwieriger wird, Leute zu finden, die das alte Stop-Motion-Handwerk noch verstehen. Das ist eine traurige Entwicklung.
_ulysses: Wären Sie manchmal gern noch ein Kind?
Burton: Kinder haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber Erwachsenen: Sie sehen die Welt immer wieder mit neuen Augen. Das ist eine großartige Sache, und jeder Künstler versucht, seine Welt auf diese wunderschöne Weise wiederzuentdecken. Das sollte man sich bewahren. Gerade in einer Zeit, die von Technologie und Erfolg geprägt wird. Wir arbeiten, um Geld zu verdienen, gründen Familien und verlieren dabei nicht selten den Sinn für Tagträume oder die Gabe, seine Welt mal von einer anderen Perspektive aus zu betrachten.
Interview: Markus Tschiedert