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Tobias Bank (Die Linke): Nachhaltige und krisenfeste Fördersysteme

Tobias Bank
Tobias Bank (Foto: © Tobias Bank)

Tobias Bank ist Mitglied der Linken und kanditiert für Die Linke für den Bundestag. Bank ist Mitglied des Parteivorstandes der Linken und Mitglied der Ständigen Kulturpolitischen Konferenz.

Tobias Bank, der Kulturbegriff im Diskurs um kulturpolitische Entscheidungen ist bei weitem nicht umfassend genug. Das hat sich während der eineinhalb Jahre deutlich gezeigt, die von Covid-19 gezeichnet waren. Wie stehen Sie zu einer Erweiterung des Kulturbegriffs bei der staatlichen Förderung?

Tobias Bank: Grundsätzlich tritt Die Linke und trete ich persönlich für eine vielfältige und partizipative Kultur ein, die allen zugänglich und für alle erschwinglich ist. In Metropolen wie in ländlichen Räumen, in Kulturinstitutionen und freier Szene. Kulturelle Vielfalt lebt von einem breiten Kulturbegriff. Hierzu gehören partizipative Freiräume für Kinder und Jugendliche, soziokulturelle Zentren, urbane Clubkultur, Vereinskultur, kommunale Kinos und Theater, Orchester, inter- und transkulturelle Orte kultureller Bildung, Bibliotheken ebenso wie Räume für experimentelle Künste, museale Einrichtungen und eine lebendige Gedenkkultur. Dabei verstehen wir Kulturförderung weitergehend auch als Infrastrukturförderung. In diesem Sinne will Die Linke und will ich die kulturelle Infrastruktur in Stadt und Land erhalten, auf- und ausbauen.

Vom Puppentheater über Kinos und Musicalhäusern bis hin zu Konzertarenen müssen alle Kulturveranstalter strukturelle Förderungen erfahren, um Krisen wie den Lockdown bestehen zu können.

Bank: Mein zentrales kulturpolitische Ziel ist, Kultur und Kulturförderung zu erhalten und gleichzeitig für die Zukunft krisenfest zu gestalten. Die Corona-Pandemie verstärkt im Kulturbereich Probleme, die schon seit längerem vorhanden sind: Kultur ist nicht ausreichend finanziert. Das Fördersystem wie auch ein Großteil der kulturellen Infrastruktur sind nicht auf Ausfallszenarien wie die aktuelle Pandemie ausgerichtet. Die Folgen können nicht aufgefangen werden. Im Gegenteil: Kultur findet häufig unter so prekären Bedingungen statt, dass jede Krise zur Existenzbedrohung wird. Befristete, niedrig vergütete Arbeitsverhältnisse und der hohe Anteil von Projektförderung lassen keine Rücklagenbildung zu und stellen sich als krisenanfällig heraus.

In Hinblick auf strukturelle Förderung hat sich Die Linke u. a. dem Erhalt von Clubs verschrieben, denn Clubs sind Räume kultureller Vielfalt und verdienten besonderen Schutz. Aber auch der flächendeckende Erhalt von Kinos liegt uns sehr am Herzen. Deshalb wollen wir das Kino als Ort kultureller Praxen fördern. Der flächendeckende Bestand von Kinos muss evaluiert und ein Konzept zur institutionalisierten Unterstützung von kommunalen Kinos erarbeitet werden.

Außerdem ist mir wichtig, dass Kultur als sog. „Freiwillige Leistung“ der Kommunen bei einer Haushaltssicherung nicht komplett gestrichen werden kann. Kultur ist demokratierelevant und gehört für mich daher zur Daseinsvorsorge. Zusätzlich bin für einen festgeschriebenen Schlüssel für Kunst am Bau.

Vor allem aber auch die Kleinstunternehmen, die den unverzichtbaren kreativen und technischen Support organisieren, müssen strukturell abgesichert sein.

Bank: Dem Kreativbereich und den Kleinstunternehmen muss eine gute Wiederaufnahme ihrer Tätigkeiten ermöglicht werden. In diesem Sinne soll für die Dauer der Coronapandemie der Zugang zu einer monatlichen Pauschale in Höhe von mindestens 1 200 Euro – auch rückwirkend ab März 2020 – ermöglicht werden. Befristete, niedrig vergütete Arbeitsverhältnisse und der hohe Anteil von Projektförderung – insbesondere in der freien Szene – lassen keine Rücklagenbildung zu. Die damit einhergehenden instabilen Lebens- und Arbeitsverhältnisse stellen sich als wenig krisenfest dar. Durch den krisenbedingten Wandel bietet sich zudem die Möglichkeit, nachhaltigere, geschlechtergerechte und krisenfeste Fördersysteme zu etablieren. Zudem fordern wir die Einbeziehung aller in die gesetzlichen Sozialsicherungssysteme (Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung), um die soziale Absicherung von unstetig Beschäftigten und Soloselbstständigen zu verbessern.

Noch immer können keine Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Gästen stattfinden. Was werden Sie unternehmen, damit Großveranstaltungen wieder möglich sind?

Bank: Stärker für das Impfen zu werben, damit wir alle bald wieder Großveranstaltungen genießen können. Zudem können Anwendung und Ausarbeitung von klugen Hygienekonzepten Veranstaltungen in einem gewissen Rahmen ermöglichen. Solange pandemiebedingt Großveranstaltungen nicht möglich sind, braucht es finanzielle Mittel, um die Branche wie auch die darin Tätigen durch die Krisen zu bringen.

Wie wollen Sie dies vertragssicher gewährleisten?

Bank: Indem Veranstalter individuell Auflagen für Gäste öffentlich bekanntgeben. Damit gibt es bereits gute Erfahrungen. Für die finanziellen Mittel müssen in den beteiligten Haushalten Mittel bereitgestellt werden.

Werden Instrumente eine Rolle spielen wie die Entscheidung, nur noch doppelt Geimpfte bei Veranstaltungen zuzulassen? Welche alternativen Instrumente sind angedacht?

Bank: Das Vorlegen eines negativen Testnachweises ist weiterhin eine sinnvolle Maßnahme. Alternative Instrumente, wie z. B. das Einhalten der Abstandsregeln, muss je nach Veranstaltungsort geprüft und von den zuständigen Behörden entschieden werden.

Werden Entscheidungen eine Rolle spielen wie etwa ein Beschluss, wonach bei einer bestimmten Impfquote die Inzidenz keine Rolle mehr spielt bei der Durchführung von Großveranstaltungen?

Bank: Ich denke, dass das so sein wird und werde mich dafür einsetzen, dass es so ist.

Was wollen Sie unternehmen, damit die öffentlich-rechtlichen Sender in ihren Hauptkanälen in Zukunft ein breit gefächertes Kulturprogramm anbieten, das vor allem freischaffende darstellende Kunst, Musik aller Genres, Theateraufführungen und Tanz unabhängiger Bühnen und vieles mehr ins Programm bringen und über die Vergütung eine Kulturförderung etablieren, die nicht nur in Zeiten von Covid-19 dringend nötig ist?

Bank: Die Linke, ob im Bund oder in den Ländern, streiten schon lange dafür, die Bandbreite von kulturellem und künstlerischem Schaffen in den öffentlich-rechtlichen Anstalten widerzuspiegeln, damit der ÖRR seinem Kulturauftrag nachkommt und so auch stärker Kultur fördert. Die Idee einer ARD-Kulturplattform ist dringend wieder aufzunehmen. Ein kreativer Neustart und kulturelle Vielfalt täten dem ÖRR sehr gut, um sein Profil zu schärfen und sich gegen private Anbieter abzugrenzen. Stattdessen werden schmerzlich Kulturangebote eingespart. Mit der Reduzierung seines Kulturangebotes verstößt der öffentlich-rechtliche Rundfunk gegen seinen Auftrag. Unabhängig von dem eigenen Kulturportal müssen Kulturangebote bessere Sendeplätze bekommen.

Was wollen Sie tun, damit der kulturelle Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender neu und deutlicher formuliert und dieser Auftrag dann auch wirklich umgesetzt wird?

Bank: Derzeit verhandeln Bundesländer über die mehrfach aufgeschobene Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und wollen diese anscheinend schnell auf den Weg bringen. An der öffentlichen Auftragsdebatte nehmen wir aktiv teil und gehen mit den Akteur:innen ins Gespräch. Politik kann aber eben auch nur den gesetzlichen Rahmen schaffen und darf nicht in die Programmautonomie der Länder eingreifen – das ist auch gut so!

Die Systemrelevanz von Kultur – ihre grundlegende Bedeutung für Mensch und Gesellschaft – ist offensichtlich, was nicht zuletzt in den vergangenen eineinhalb Jahren schmerzlich sichtbar wurde. Wie lässt sich diese gesellschaftliche Notwendigkeit von Kultur aus allen Bereichen umwandeln in eine faktische materielle Absicherung?

Bank: Die Covid-19-Krise zeigt deutlich, wie fragil es um den Kulturbereich mitsamt der darin tätigen Akteur:innen bestellt ist. Durch den krisenbedingten Wandel, bietet sich uns die Möglichkeit unzeitgemäße und gewachsene Förderstrukturen aufzubrechen und zugunsten einer nachhaltigeren, gendergerechteren und krisenfesteren Infrastruktur zu etablieren. Die soziale Sicherheit von Künstler:innen und Kulturschaffenden ist dabei keine Neben-, sondern eine Hauptsache. Kunst und Kultur können in der Post-Corona-Krise Orientierung schaffen, indem sie neue Wege und Denkansätze aufzeigen – wir sollten das Angebot annehmen.

Wann wird damit begonnen?

Bank: Das kommt auf die Wähler:innen an. Eine starke Linke im Bundestag kann was bewegen und wirkt. Unser Programm ist z. B. in Sachen Klima, Wohnen, Steuergerechtigkeit und Kultur radikal und realistisch zugleich.

Wie soll eine materielle Absicherung ausgestaltet werden?

Bank: Ganz klar durch das Zurückdrängen von unsicheren und schlecht bezahlten Arbeitsbedingungen. In diesem Sinne fordern wir verbindliche Mindeststandards der Honorierung in der freien Kunst- und Kulturarbeit, branchenspezifische Honoraruntergrenzen und eine rechtlich abgesicherte Ausstellungsvergütung für bildende Künstler:innen. Auch muss die Verhandlungsposition von Kreativen im Urhebervertragsrecht gestärkt und ihre Mitbestimmungsrechte müssen gegenüber Verwertungsgesellschaften ausgebaut werden.

Materielle Absicherung bedeutet aber auch, das Hartz-IV-System abzuschaffen und es durch eine bessere Erwerbslosenversicherung und eine bedarfsgerechte individuelle Mindestsicherung ohne Sanktionen zu ersetzten.

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