„Tod und Spiele – München 72“ jetzt im Ersten und der Mediathek
Mit „Tod und Spiele – München 72“ gelingt der ARD eine minutiöse Dokumentation zum Massaker am israelische Olympiateam 1972. Lesen Sie warum.
Der Vierteiler Tod und Spiele – München 72 wird zwar erst am 50. Jahrestag des Massakers ausgetrahlt, am Montag, den 5. 9. ab 20.15 Uhr in der ARD. Die Dokumentation ist aber schon jetzt in der Mediathek abrufbar. Sie widmet sich mit schonungslos kritischer Analyse dem Versagen der deutschen Institutionen auf allen Ebenen, bevor und nachdem die palästinensische Terrororganisation Schwarzer September elf Sportler der israelischen Olympiamannschaft als Geisel genommen beziehungsweise sofort ermordet hatten. Die sogenannten heiteren Spiele von München waren damals innerhalb weniger Minuten in ihr Gegenteil verkehrt worden. Schließlich fanden die Spiele nach der Ermordung aller israelischen Geisel ihre zynische Fortsetzung, alle Wettkämpfe wurde ausgetragen, wenn auch ohne das Team Israels – die Überlebenden flogen gemeinsam mit den Särgen der Toten nach Hause. Dort wurden die Ermordeten in einer großen Zeremonie beerdigt, während in München die Wettkämpfe weiter liefen.
Der Vierteiler Tod und Spiele – München 72 widmet sich zunächst dem Konzept der Olympischen Spiele in München: Die Olympischen Spiele von Berlin 1936 sollten vergessen gemacht werden. Offenheit, Herzlichkeit und Freude sollten die Spiele prägen. Auf der Strecke blieb dabei der Aspekt der Sicherheit. Im olympischen Dorf sollte möglichst keine Polizei präsent sein, Zugangsbeschränkungen gab es ebenfalls keine. Als die Attentäter vom Schwarzen September nachts vor dem olympischen Dorf eintrafen und den Zaun durchschneiden wollten, sahen sie Sportler über diesen Zaun klettern und taten es ihnen einfach nach. Der Schwarze Semptember war eine eigens für internationale Terrorakte angelegte Organisation, eine Untergruppe der palästinenschischen Partei Fatah, damit diese international möglichst nicht in die Kritik geraten sollte.
Diese Sorglosigkeit im Sicherheitskonzept setzte sich während der Entführung als Schludrigkeit und Inkompetenz fort und eskalierte beim Versuch, die isralischen Geisel zu befreien. Israel hatte die Forderung der Entführer nach Freilassung aller palästinensicher Terroristen aus israelischen Gefängnissen zurückgewiesen. Deutschland seinerseits hatte das Angebot der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir zurückgewiesen: Israel wollte seine damals weltweit einzigartige Antiterroreinheit nach Deutschland fliegen, damit diese die Geisel befreit. Statt dessen rekrutierte der bayerische Polizeipräsident frisch ausgebildete Streifenpolizisten als Freiwillige, die sich in der für die Terroristen bereitgestellten Lufthansamaschine als Crew verkleiden sollte. Die zwölf Polizisten jedoch brachen ihren Einsatz eigenmächtig ab – eine Aktion sondergleichen, die erst ab den 1990ern öffentlich und sehr kontrovers unter dem Aspekt der Befehlsverweigerung diskutiert wurde.
Die Dokumentation Tod und Spiele – München 72 holt nicht nur deutsche Politiker, Polizeichefs und einzelne Polizisten von damals vor die Kamera, auch zwei der drei Terroristen, die lebend gefasst und nur wenige Monate später nach der Entführung einer Lufthansamaschine wieder freigelassen wurden, kommen zu Wort. Die beiden, die noch im Jahr 72 in Palästina als Helden gefeiert wurden, dürfen nicht nur ihre Sichtweise darstellen, sondern auch – und das ist ein Manko dieser Dokumentation – ihre ungebrochen positive Haltung zu den Morden ausdrücken bis hin zum nun rhetorisch verbrämten Bekenntnis, die letzten noch lebenden Geiseln im Fluchthubschrauber mit Schusswaffen und Handkranaten gezielt ermordet zu haben.
Die intensivsten Momente der Dokumentation sind die Interviews mit den Angehörigen der ermordeten Israelis. Ihr Schmerz, aber auch ihre völlige Verständnislosigkeit angesichts des desaströsen Sicherheitskonzepts machen die deutsche Verantwortung deutlich, der die hiesigen Vertreter nicht im Ansatz gerecht werden konnten. jw