Tom Odell über „Black Friday“: Eine weichere Welt
Nach „Another Love“ sucht Tom Odell heute nicht mehr – doch trotz privaten Glücks überwiegt in seiner Musik noch immer die Melancholie.
Erst einmal Glückwunsch zur Heirat, lieber Tom.
Tom Odell (lächelt und zeigt seinen Ehering): Danke schön. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so eine erfüllte, wunderbare Beziehung erleben würde. Wir sind seit etwas über vier Jahren zusammen, und ich bin mir ganz sicher, dass Georgie die Liebe meines Lebens ist.
Bist du bei der Hochzeitsparty darum herum gekommen, deinen Hit „Grow old with me“ anzustimmen?
Odell (lacht): Ja, zum Glück! Niemand hat bei meiner Hochzeit gesungen. Ich glaube, das lag vor allem daran, dass viele meiner Freund:innen selbst Musiker:innen sind. Wir haben einfach gefeiert und Spaß gehabt.
So glücklich, wie du gerade dein Leben beschreibst, ist dein neues Album „Black Friday“ freilich nicht.
Odell: Nein, es ist ein relativ trauriges Album. Aber auch mit vielen Momenten der Erleichterung, Erlösung und Schönheit darin. Nach genau diesem Gefühl, nach einer Grundstimmung aus wohliger Melancholie, suche ich praktisch immer in meiner Musik. Wenn ich am Klavier sitze, ist das mein sicherer und heiliger Ort. Hier empfinde ich alle Gefühle noch ein bisschen stärker und klarer, hier fühle ich mich geborgen und behütet, hier bin ich am Offensten mit mir selbst.
„I wanna have fun/I wanna be happy“ singst du im Titelsong. Wie bekommst du das hin, an dieser Welt zwar zu leiden, aber nicht zu verzweifeln?
Odell: Ich habe diesen Song geschrieben, als es mir nicht so gut ging. Mit dem Text habe ich versucht, mir selbst etwas zu erklären. Ich war zu dieser Zeit oft traurig und ängstlich, und dann gucke ich hoch und sehe lauter Leute, die so voller Begeisterung und Lebensfreude sind, und ich frage mich: Wie machen die das? Die sozialen Medien verstärkten noch den Eindruck, unzulänglich zu sein und irgendetwas konsumieren zu müssen, um mithalten zu können. Ich würde mir sehr wünschen, dass eine weichere Welt möglich ist, eine Welt mit mehr Mitgefühl und Wärme. Eine Welt, in der nicht so viele Menschen Angst haben, nicht mehr mitzukommen.
Fasziniert es dich eigentlich, als wie langlebig sich „Another Love“ erweist? Der Song ist seit Jahren in den Charts, die Tiktok-Kids lieben ihn, du selbst hast das Lied im März im Bahnhof von Bukarest vor ankommenden ukrainischen Kriegsflüchtlingen gespielt, das Video von dem Auftritt ist legendär.
Odell: Es ist interessant, was mit „Another Love“ passiert (lacht). Mich hat das einerseits überrascht, andererseits habe ich mich schon mit 19 oder 20, als der Song entstanden ist, extrem stark um mein Handwerk gekümmert. Ich war immer schon besessen davon, dass meine Songs zeitlos sind. So wie die Lieder meiner großen Idole, etwa Joni Mitchell oder Leonard Cohen. Wenn ich einen Rat für junge Künstler:innen hätte, dann diesen: Achtet darauf, dass ihr jedes Wort, das ihr schreibt, auch wirklich so meint, und dass es aus eurem Herzen kommt. Denn es kann sein, dass ihr diese Worte zehn, vielleicht auch 50 Jahre lang singen werdet (lacht).