„Treasure – Familie ist ein fremdes Land“: Vergangenheitsbewältigung in der Hotelbar
Stephen Fry ist in dem Film „Treasure – Familie ist ein fremdes Land“ der Regisseurin Julia von Heinz ein Ausbund an lakonischem Witz im toternsten Gewand. Jetzt im Kino.
Voller lakonischem Witz bei tiefernstem Thema: Der Film „Treasure – Familie ist ein fremdes Land“ ist vieles gleichzeitig: Ein Roadmovie, ein Film über eine Vater-Tochter-Beziehung und ein Film über Vernichtungslager im Nationalsozialismus.
Reiseziel: Lodz. Mit einem Abstecher nach Auschwitz. Es ist kein gewöhnlicher Familienurlaub, den die semi-erfolgreiche New Yorker Journalistin Ruth (Lena Dunham) zusammen mit ihrem verwitweten Vater Edek (Stephen Fry) Anfang der 90er Jahre unternimmt. Sie hat ihren Vater gedrängt, die Stätten seiner Kindheit zu bereisen: eine Reise in eine düstere Vergangenheit, denn Edek und Ruths Mutter haben ihre Familien in Auschwitz verloren – und nie wirklich darüber gesprochen. Aber die Vergangenheitsbewältigung gestaltet sich schwierig: Edek sabotiert Ruths Reisepläne, wo er nur kann, bandelt mit zwei polnischen Damen an, die er beim Karaoke in der Hotelbar kennengelernt hat – und lässt sich nur mit größter Mühe bewegen, schließlich die Gedenkstätte von Auschwitz zu besichtigen. Die emotionale Wirkung des Films steht und fällt mit der Hauptfigur – und Regisseurin Julia von Heinz („Ich bin dann mal weg“, „Und morgen die ganze Welt“) hat mit dem britischen Darsteller Stephen Fry eine großartige Besetzung gefunden. Wie viel Trauma hinter Edeks Fassade des lebensfrohen, galanten Charmeurs und Frauenhelden steckt, enthüllt sich erst nach und nach, dann aber mit voller Wucht… „Treasure“ ist eine fiktionalisierte Fassung von Lily Bretts autobiografischem Roman „Zu viele Männer“, den Julia von Heinz als tragikomisches, intensives Charakterdrama inszeniert – immer nah an Ruth und Edek, die sich immer wieder missverstehen und erst ganz am Schluss zueinander finden.