Die kriegerischen Reste Europas
Nach einer Katastrophe vor Jahrzehnten wird Europa im Jahr 2074 nur noch von Stämmen bevölkert. Jetzt startet „Tribes of Europa“ auf Netflix.
Im Jahr 2029 brach weltweit die Infrastruktur zusammen, was zur Folge hat, dass 2074 keine der uns bekannten Nationen mehr besteht, sondern nur noch Stämme oder, wie es in der Serie heißt: Tribes den europäischen Kontinent bevölkern. Kiano, Liv und Elja gehören in dieser deutschen Netflix-Serie zum Stamm der Origines, der sich gut versteckt in die Wälder zurückgezogen hat und dort nach eigenen, friedlichen Regeln lebt. Als über den Köpfen der Drei ein Flugobjekt abschmiert und in den Wald stürzt, ändert sich ihr Leben von Grund auf.
„Tribes of Europa“ ist ein seltsam disparates Werk. Unglaubwürdige Dialoge, klischeehaft überzeichnete Charaktere, die zum Teil ins Lächerliche kippen, und eine Ausgangssituation, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht rational nachvollziehbar ist, stehen auf der Minusseite. Gut gemachte Action- und Kampfszenen, denen man das investstierte Geld ansieht und die es mit der Brutalität manchmal wirklich übertreiben, stehen dem gegenüber. Dass der böse Stamm der Crows, der alles überrennen will, aus dem Osten kommt, ist mal wieder typisch. Dass der technisch hochgerüstete Stamm der Atlantiker irgendwo aus dem Westen kommt, überrascht auch nicht sonderlich. Eine Lachnummer aber ist, dass der Stamm der Crimsons mit seinem Credo der Diversität aus den Eurokorps entstand, der wirklich existenten schnellen Eingreiftruppe der Staaten Frankreich, Spanien, Deutschland, Belgien und Luxemburg als Rahmennationen. Die Crimsons nennen sich Republik und agieren mit militärischem Gerät, während die Crows aus dem Osten ihre Kämpferinnen und Kämpfer bei ihren Einsätzen mit Aggro-Gas zum Inhalieren ausstatten und gnadenlos verschleißen.
Doch zurück zu Origines und damit zu den drei Helden von „Tribes of Europa“: Kiano, Liv und Elja. Ihre neue Sicht auf die Welt da draußen, mit der sie plötzlich konfrontiert werden, ist der Blick der Serie. Ihre Abenteuer sind so unterschiedlich wie die Welt, in die sie geraten. Kiano landet gemeinsam mit seinem Vater in der Stadt Brahtok, die mal Berlin war. Liv wird von den Crimsons aufgelesen, will aber ihren Bruder und den Vater befreien. Elja, der kleinste von den Dreien, erlebt die unschuldigsten Abenteuer, er stößt auf Moses, der von Oliver Masucci gespielt wird. Masucci ist der Einzige in der ganzen Serie, der mit bewusster Überzeichnung seiner Mad-Max-Figur für Loser so was wie Humor in die Handlung bringt. Derweil regieren bei den Crimsons die Intrige und der Verrat, und die brutalen Crows halten ihr System durch eine gnadenlose, faschistoide und auf Belohnung für Schweinereien aufbauende Hierarchie am Laufen.