Turner
In Hamburger Clubs wie der Tanzhalle legt er auf – unter dem Namen Pavel. Als Turner veröffentlicht Paul Kominek hingegen seine Songs, die mehr fürs Wohnzimmer gedacht sind. Jetzt kommt „A Pack of Lies“ (Ladomat), sein drittes Album – und er trägt es natürlich auch in die Clubs …
citymag: Turner, ein Kollege ging kürzlich durch die Hamburger Turnerstraße und vermutete, du hättest deinen Namen daher. Sie sei wohlmöglich gar eine Popstraße, denn auch Frank Spilker von Die Sterne sieht man dort immer.
Turner: (lacht) Obwohl ich schon mal bei Herr von Eden einen Anzug gekauft habe: Von der Straße kommt der Name nicht. Aber alle Künstlernamen, die ich vorschlug, waren dem Label zu wenig schmissig und oft zu lang. Mit Freunden aus alten Frankfurter Zeiten dachten wir uns dann so prollige Namen wie „Action Paul“ aus. Irgendwie kamen wir schließlich auf Turner, was mir sofort gefiel, denn ich bin ein superunsportlicher Typ. Außerdem klingt der Name im englischsprachigen Raum gut und erinnert irgendwie an einen kanadischen Country-Superstar. Alles in allem klingt genau nach dem Gegenteil von dem, was ich stimmungsmäßig vermitteln will …
citymag: Du hast nicht nur einen Eurythmics-Song auf deinem neuen Album: Die 80er Jahre sind leicht heraushören.
Turner: Das sind aber keine 80er Zitate, das ist keine bewusste Entscheidung. Die 80er sind deswegen so präsent, weil ich mit acht, neun Jahren stark den musikalischen Einflüssen ausgesetzt war. Die Grundharmonie der damaligen Stücke hat mich geprägt, Zuckerpopsongs fallen mir weitaus schwerer.
citymag: Und die Eurythmics?
Turner: Ich besitze kaum Platten aus den 80ern, von den Eurythmics überhaupt keine. Aber die melancholisch-morbide Stimmung in ihren Melodien und Texten zieht mich an. Andererseits habe ich auch viel Velvet Underground gehört.
citymag: Du giltst als Elektroniktüflter. Die Songs deines neuen Albums aber klingen wie konventionell eingespielt …
Turner: Da muss man die drei Turner-Alben aber auch unterschiedlich einordnen. Das erste Album basierte vorwiegend auf Synthesizer- und Sampling-Elementen. Das zweite entstand komplett am Computer. Die Samples, die ich dort einbaute, sind nicht wiederzuerkennen, so kurz sind sie, z. B. sekundenlange Töne von einem Sonic-Youth-Album. „A Pack of Lies“ hat damit nichts mehr zu tun: Es sind klassische Kompositionen, im kleinen Heimstudio umgesetzt. Mein erstes Album mit richtigen Songs.
citymag: Wie kam es dazu?
Turner: Der Versuch, mein letztes Turner-Album live vorzustellen, war problematisch. Die Leute konnten sich nicht darauf einlassen. Damals entschloss ich mich, die Projekte sinnvoll zu trennen und alle cluborientierten Tracks nur noch unter dem Pseudonym Pavel zu veröffentlichen. Ich will den Turner-Sound in eine geradlinige Richtung bringen. Die Turner-Stücke brauchen mehr Zeit, die Club-Stücke unterliegen einem viel schnelleren Prozess, sind mir emotional auch nicht so wichtig. Andererseits habe ich sie gerne auf Platte, dann kann sie auch jeder andere DJ kaufen …
citymag: Du bist mit Tocotronic auf Tour. Wie wirst du dem Publikum deine Songs präsentieren?
Turner: Viele Künslter holen sich in einem solchen Fall eine Liveband. Ich fand das immer ziemlich unglücklich, denn das verändert die Musik ins Unakzeptable. Wie ich es mache? Ich werde Gitarre spielen, singen. Dann wird es drei pojizierte Flächen geben. Dort wird man mich an der zweiten Gitarre, am Keyboard und als Backgroundsänger sehen.
citymag: Vom Computer?
Turner: Das werden feste Arrangements sein, die bis zu einem gewissen Punkt live änderbar sein müssen. Wie ich das umsetzen werde, ist mir im Moment auch noch nicht ganz klar.
Interview: Jürgen Wittner