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Über die Kulturhoheit der Länder – und ihre Sinnhaftigkeit
In Deutschland herrscht bekanntlich die sogenannte Kulturhoheit der Länder. Allerdings ist ihre Sinnhaftigkeit umstritten und somit fordern einige Kritiker deren Abschaffung. Wie realistisch ist dieses Szenario?
Der Föderalismus kennt in Deutschland viele Freunde, aber auch zahlreiche Feinde. Derzeit ist er in Deutschland so organisiert, dass der Bund über jene Themen bestimmt, die ganz Deutschland betreffen, beispielsweise die Außen- oder Finanzpolitik – wohingegen die einzelnen Bundesländer nach wie vor viel Entscheidungsgewalt in regionalen Belangen haben. Dazu gehört zum Beispiel die innere Sicherheit, aber auch die Bildung sowie die Kultur. In vielen Fällen ist aber eine Kooperation notwendig. Die Kulturhoheit der Länder bezeichnet somit, dass die einzelnen Bundesländer das Sagen haben, wenn es um Sprache, Kunst, Bildung und Kultur im Allgemeinen geht, sofern es sich um landesinnere Belange handelt. Diese Kompetenzregelung bringt ohne Frage gewisse Vorteile mit sich, wenn sie eindeutig umgesetzt wird.
Theoretische Vorteile des Föderalismus in der Kultur
Dass der Kulturföderalismus im Jahr 1949 in seiner jetzigen Form verankert wurde, geht bereits auf die Weimarer Republik zurück und schon damals hat sich das System bewährt. Denn die Kulturhoheit dient in erster Linie dem Zweck, die Nachteile eines Zentralstaates zu bekämpfen, welche sich auch – aber nicht nur – im Bereich der Kultur ergeben würden. Der Föderalismus im Allgemeinen bringt somit viele Vorteile mit sich, darunter auch, gewisse Probleme auf Länderebene zu klären und somit ein höheres Maß an Spezialisierung zu erwirken, anstatt alle Entscheidungen gebündelt auf Bundesebene treffen zu müssen. Die Hoffnung des Entschlusses für die (erneute) Kulturhoheit der Länder lag somit auch darin, dass die Kultur im politischen Alltag eine größere Priorität einnehmen könnte, während sie auf Bundesebene angesichts „aktuellerer“ oder „dringenderer“ Themen immer wieder in den Hintergrund zu rücken droht. Dennoch wurde die Kulturhoheit der Länder bereits seit längerer Zeit immer wieder als gescheitert betitelt – eine Entwicklung, welche sich nun durch die sogenannte „Corona-Krise“ verschärft hat.
Ist das Konzept in der Praxis (endgültig) gescheitert?
Dass der Kulturföderalismus gewisse Probleme mit sich bringt, war bereits seit längerer Zeit klar. Ein klassischer Kritikpunkt bestand in der schwierigen Zusammenarbeit des Gremiums, welches einstimmige Abschlüsse sowie Beschlüsse auf der Bundesebene beinahe unmöglich machte. Zusätzlich bedürfen diese einer Verabschiedung durch die jeweiligen Landesparlamente. Solange sich der Bund offiziell aus Kulturfragen „heraushielt“, waren die Prozesse also oftmals stockend und die Pläne sozusagen zum Scheitern verurteilt. Hinzu kam, dass auch in diesen länderübergreifenden Gremien oftmals bildungs- und hochschulpolitische Themen oberste Priorität hatten, während die Kultur an den Rand gedrängt wurde. Das eigentliche Ziel einer Kulturhoheit der Länder galt somit als verfehlt. Und plötzlich trat in der „Corona-Krise“ der Bund in Erscheinung und beschloss kurzerhand, ein bundesweites Nothilfeprogramm ins Leben zu rufen und somit direkt in die Kulturpolitik einzugreifen – ohne den schwierigen Umweg über das Gremium. Damit drängte sich die Frage auf, ob dies das Ende der Kulturhoheit der Länder ist?
Ein Blick in die Zukunft der deutschen Kultur
Tatsächlich sehen viele Menschen in diesem Einschreiten das Ende der Kulturhoheit der Bundesländer – und zwar ein wenig überraschendes Ende. Wer sich schon länger mit dem Thema auseinandersetzt, konnte nämlich bereits seit einiger Zeit erkennen, dass die Entwicklung zunehmend weg vom Föderalismus und hin zum Zentralstaat geht, zumindest in der Kultur. Zwar mischen auch die Landesregierungen in der Kulturförderung nach wie vor mit, allerdings vor allem für traditionelle Institutionen wie Museen oder Theater. Durch das Raster fallen aber nur allzu oft Kunstmessen, Festivals, Arthouse-Kinos und viele weitere Bereiche, die zur „freien Szene“ zählen. Schon lange vor der aktuellen Krise ist hier vermehrt der Bund eingesprungen, um diese zu finanzieren. Dass der Bund in Kulturbelangen immer häufiger nicht nur gefragt wird, sondern auf eigene Faust entscheidet, ist somit schleichend zur Normalität geworden. In dem Hilfspaket könnte somit nun der Gipfel einer über Jahre andauernden Entwicklung gesehen werden, denn diese Entscheidung fiel schnell und selbstverständlich ohne Rücksicht auf die Kulturhoheit der Länder; scheinbar stört sich daran aber niemand.
Zwischen politischer Theorie und der Realität
Die Kulturhoheit macht somit deutlich, dass es sich beim Föderalismus um ein Konzept handelt, das in der Praxis oftmals anders gehandhabt wird als in der Theorie. Das gilt zumindest in der Kultur. Bleibt die Frage offen, wie das in anderen Bereichen aussieht? Ein klassisches Beispiel, das Deutschland bereits seit mehreren Jahren beschäftigt, ist hierbei auch das Glücksspiel. Eigentlich sollten die Regelungen, in diesem Fall das Verbot, deutschlandweit gelten. Doch schnell hat sich Schleswig-Holstein auf den Föderalismus bezogen und eigene Regelungen umgesetzt. In der Folge wird das Thema dort liberaler gehandelt und diesem Vorbild könnten schon bald die anderen deutschen Bundesländer folgen. Ein Beispiel, das deutlich macht, dass der Föderalismus auch wichtig sein kann, um Fortschritte zuzulassen, vielleicht sogar aktiv zu fördern. Aber die „Corona-Krise“ beförderte auch eine Problematik des Förderalismus zutage: Dass im Zuge der Krise jedes Bundesland unterschiedliche Regelungen erließ, führte bei vielen Menschen zu Verwirrung und somit auch zu Verärgerung. Erneut kam daher die Frage auf, wie viel Föderalismus sinnvoll ist – auch, aber eben nicht nur, in der Kultur.
Wird es ein Ende des Föderalismus geben?
Mit dem (Kultur-) Föderalismus ist es also wie mit so vielen Dingen im Leben: Es gibt zwei Seiten der Medaille. Dass der Föderalismus eine Daseinsberechtigung hat, ergibt sich aus der deutschen Geschichte. Denn er wurde überhaupt erst geschaffen, um einen Zentralstaat zu verhindern und somit auch eine Wiederholung der Geschichte, weshalb er eine konkrete Forderung der Siegermächte war. Dementsprechend wird es zumindest in absehbarer Zukunft kein Ende des Föderalismus geben – jedenfalls nicht ohne internationalen Widerstand. Ein Szenario also, das äußerst unwahrscheinlich ist, und zwar unabhängig von aktuellen oder weiteren Krisen. Was jedoch denkbar ist, ist eine Umverteilung der Zuständigkeiten. Denn gerade die Kulturhoheit der Länder hat seit mehreren Jahren verdeutlicht, dass die Regelungen aus dem Jahr 1949 heutzutage zumindest teilweise überholt sind. Sinnvoller wäre es, die Kultur entweder vollständig den Ländern zu übertragen oder eben doch ganzheitlich in die Zuständigkeit des Bundes zu übergeben.
Bund oder Länder – was bei der Kultur sinnvoller ist
Die Problematik der Kulturhoheit der Länder scheint somit aktuell vor allem darin zu liegen, dass einige Zuständigkeiten unklar sind. Wenn es nämlich um die kulturelle Darstellung von Deutschland als Gesamtheit im Ausland geht, ist der Bund zuständig. Wenn es um interne Entscheidungen geht, kann der Bund ebenfalls eingreifen, wie das aktuellste Beispiel erneut beweist. Und das eigentliche Ziel des Kulturföderalismus scheint ohnehin verfehlt zu sein. Das bedeutet aber nicht, dass der Grundgedanke per se schlecht ist. Stattdessen muss überlegt werden, wie die Kulturhoheit der Länder in Zukunft besser umgesetzt werden kann – oder ob nicht doch eine Verlagerung der Kulturpolitik auf die Bundeseben sinnvoller ist. Unmut stiftet das aktuelle Verhalten des Bundes auch, weil viele andere Themen trotz Krise den Ländern überlassen werden. Es fehlt somit an Einheitlichkeit und bei einigen Personen entsteht der Eindruck, der Bund picke sich gerne die Rosinen heraus, wie man so schön sagt. Manche gehen sogar so weit, zu behaupten, der Bund stabilisiere durch sein Verhalten in den vergangenen Jahren langsam, aber gezielt seine Machtstellung im Kulturbereich.
Fazit
Bei der aktuellen Diskussion über die Kulturhoheit der Länder handelt es sich eigentlich um keine neue Erscheinung, sondern diese wird seit mehreren Jahren immer wieder geführt – und das nicht nur hinsichtlich der Kultur, sondern auch bei der Bildung, im Glücksspiel sowie in vielen weiteren Bereichen. Dennoch hat der Föderalismus viele Vorteile und damit eine Daseinsberechtigung, welche über die deutsche Geschichte hinausgeht. Er wird die deutsche Politik daher noch für lange Zeit begleiten. Sinnvoller, als diesen infrage zu stellen, ist daher eine eindeutige Klärung der Zuständigkeiten. Das kann auch bedeuten, dass die Kultur zukünftig eben doch reine Ländersache oder stattdessen auf die Bundesebene verlagert wird. Als Fazit lässt sich somit nur festhalten, dass sich etwas ändern muss, damit die Kultur in Zukunft wieder klare Kompetenzregelungen und damit auch eine höhere Priorität in der Politik erhält. Ob dabei die Kulturhoheit der Länder sinnvoll ist oder nicht, darüber muss sich jeder seine eigene Meinung bilden.