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Ulrich Peltzer: Das bessere Leben

Warum liest man? Zur sedierenden Entspannung nach getanem Dienst in der neoliberalen Arbeitswelt? Oder um diese hyperbeschleunigte Moderne zu durchschauen und sie dadurch mit Mikroeingriffen verändern zu können? Ulrich Peltzer schreibt zumindest aus letzterem Grund; für ihn sind Bücher Erkenntniswerkzeuge. Der 59-Jährige steht in der Tradition von James Joyce, Alfred Döblin und William Faulkner, er betrachtet das Außen durch die Wahrnehmung seiner Figuren; innere Monologe, das unermüdliche Strömen des Bewusstseins, so funktioniert Peltzers Literatur. In „Das bessere Leben“ schaut er ins Räderwerk der globalisierten Welt der Erwerbstätigkeit. Mehrere Player der Weltwirtschaft laufen sich bei weltweiten Transaktionen zwischen São Paulo, Amsterdam, Turin und China über den Weg, darunter Sales Manager Brockmann und der Amerikaner Fleming, Risikoinvestor und Teufel – oder nur teuflisch kapitalistisch?Peltzer nimmt sich den Marktfundamentalismus nicht zum ersten Mal vor: Bei den letzten beiden Filmen des Berliner-Schule-Regisseurs Christoph Hochhäusler war er Koautor. Themen: die Entfremdung des Finanzkapitalismus von der realen Welt, die Einflussnahme von privatwirtschaftlichen Lobbyinteressen auf die Politik. Ähnlich wie diese Filme ist Peltzers Buch eher für solche Leute ein Pageturner, die sich auch von den längsten Textblöcken des Wochenendfeuilletons nicht abschrecken lassen. Viel muss man sich erschließen, vor allem, wer gerade „spricht“ und was diese Person mit Brockmann und Fleming zu tun hat. Peltzer ist ein (Alt-)Linker, deswegen findet sich in seinem thesenhaften Roman auch die Wehmut des Intellektuellen, der mitansehen musste, wie aus Revoluzzern Raubtierkapitalisten wurden und wie linke Utopien vom anearoben Gift des Marktes zu Dystopien vergoren sind. „Das bessere Leben“ ist manchmal wie der Versuch, einen Algorithmus zu verschriftlichen, sperrig, unzugänglich, aufzählungsartig, erzählerisch jedoch immer virtuos. Und Peltzer beantwortet die Frage, warum man liest, vermehrt lesen sollte: um sich überhaupt richtig entspannen zu können, weil man ein wenig mehr durchschaut hat. Dann erst fangen Veränderungen an.

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