Anzeige
Es muss nicht immer Kunst sein! Ungewöhnliche Kulturgüter aus aller Welt
Wenn von Kunst die Sprache ist, denken viele Menschen an die klassischen Kulturgüter wie Gemälde, Musik, Literatur oder Theaterstücke. Jedoch sind auch Traditionen, Bräuche oder sogar Speisen ein wichtiger Teil der Kultur in einem Land – und hierbei gibt es allerhand skurrile Kulturgüter.
Im eigentlichen Sinne wird mit Kultur eine gestalterische Schöpfung genannt, welche durch eine Person oder eine Gemeinschaft hervorgebracht wurde. Tatsächlich sind es also vor allem Bühnendarstellungen, Musikstücke, literarische Werke oder Gemälde und ähnliche Güter, die als Kultur bezeichnet werden. Doch der Begriff beschreibt zugleich eine Art der kollektiven Programmierung des Geistes. Die Kultur prägt zum Beispiel die Art und Weise, wie sich der Mensch verständigt oder welche Traditionen er pflegt. Sie lenkt zugleich sein Handeln. Außerdem ist sie bei einer gewissen Gruppe von Personen gleich, beispielsweise aus einer geografischen Region, sodass sich ein Gefühl der Zusammengehörigkeit beziehungsweise Vertrautheit ergibt.
Was ist ein Kulturgut?
Auch Traditionen und Bräuche können somit als Ausdruck einer Kultur angesehen werden und daher als Kulturgut. Ebenso die Sprache, die Kleidung oder sogar das Essen. Denn Kulturgut wird prinzipiell nur definiert als etwas, das als kultureller Wert Bestand hat und bewahrt wird. Dass hierzulande an Weihnachten ein Christbaum aufgestellt und geschmückt wird, dass auf der Wiesn in Tracht eine Maß getrunken wird, dass in schwäbischen Restaurants immer Spätzle mit auf der Speisekarte stehen: All das und noch viel mehr könnte als Kultur beziehungsweise Kulturgut bezeichnet werden. Diese Beispiele dürften aus der Sicht der meisten Deutschen gewöhnlich klingen. Doch es gibt auch andere, ungewöhnliche, teilweise skurrile Beispiele für Kulturgüter, sowohl aus anderen Ländern als auch in Deutschland. Bei einigen von ihnen gehen die Meinungen auseinander, ob diese überhaupt so bezeichnet werden dürfen. Interessant ist ein Blick auf Kulturgüter aus aller Welt, aber in jedem Fall und folgende stechen dabei besonders ins Auge:
Tomatina
In Spanien gibt es viele traditionelle Bräuche und Veranstaltungen. Vor allem, wenn es um den Stierkampf oder den berühmten Stierlauf in Pamplona geht, sind diese aber nicht unumstritten. Weniger kontrovers ist die Tomatenschlacht. Diese findet in einem Ort namens Buñol in der Nähe von Valencia im Rahmen des traditionellen Festes Tomatina statt. Neben den knapp 10.000 Einwohnern kommen jedes Jahr rund 30.000 Touristen in den kleinen Ort, um dort die anderen Teilnehmer mit überreifen Tomaten zu bewerfen. Eine seltsame Veranstaltung, die jedoch bereits seit dem 29. August 1945 jährlich stattfindet und somit durchaus als Kulturgut der Region bezeichnet werden kann. Im Gegensatz zu vielen anderen Traditionen, hat sich die Tomatina aber nicht aus religiösen oder politischen, sondern aus gesellschaftlichen Hintergründen entwickelt. Die Tomatenschlacht wurde erfunden, um der Bevölkerung nach den harten Kriegsjahren schlichtweg Spaß zu bringen. Ursprung soll angeblich eine Auseinandersetzung ohne ernsthaften Hintergrund zwischen zwei Jugendgruppen gewesen sein, die eher zufällig in einer Tomatenschlacht ausartete. Es gibt jedoch auch andere Theorien bezüglich der Entwicklung der Tomatina.
Ochsenblut
Die ostafrikanischen Massai gelten als Volksgruppe, die viele Traditionen sowie Bräuche aus der Vergangenheit wahrt. Zwar befindet auch ihre Kultur sich mittlerweile im Umbruch, dennoch hat sie – zumindest bislang – viel ihrer Ursprünglichkeit bewahrt. An Kulturgütern mangelt es den Massai jedenfalls nicht. Sie tragen noch (meistens) ihre traditionelle Kleidung, leben noch in traditionellen Hütten namens Boma und pflegen zudem ihre traditionelle Esskultur. Fest verankert ist darin auch das Ochsenblut als Getränk, das mit Milch gemischt wird. Ziel ist, dadurch wertvolles tierisches Protein aufzunehmen, ohne ein Rind schlachten zu müssen. Denn das Vieh wird von den Massai verehrt und nur zu religiösen oder feierlichen Anlässen geschlachtet. Abseits dieser Riten wird das Blut dem lebenden Tier entnommen, und zwar durch einen kleinen Schnitt am Hals, der anschließend wieder verheilt. Die Mischung aus Blut und Milch bildet anschließend ein geronnenes Erzeugnis, das dem handelsüblichen Quark ähnelt.
Foto: Adobe Stock, © puhhha
Wasserpfeife
Die Shisha spielt in vielen arabischen Kulturen bereits seit vielen Jahrhunderten eine wichtige Rolle. Ihre Herkunft kann heutzutage nicht mehr eindeutig geklärt werden. Forscher vermuten diese aber in Indien oder Persien. Über die Generationen hinweg hat sich die Wasserpfeife weiterentwickelt und je nach Kulturkreis unterschiedliche Formen angenommen. Verloren ging diese Tradition jedoch niemals, und so wird sie beispielsweise in der Türkei nach wie vor gepflegt. Allerdings herrscht seit 2009 in der Türkei ein strenges Rauchverbot, womit das Kulturgut immer mehr aus der Öffentlichkeit verschwindet. Anders in Deutschland: Hier entwickelt sich langsam, aber merklich, eine neue Tradition. Vor allem junge Erwachsene treffen sich in Gruppen zum Rauchen der Wasserpfeife und machen daraus ein gesellschaftliches Event. In einer globalisierten Welt können Kulturgüter also auch zwischen Kulturen wandern oder sich umfassend(er) verbreiten. Während die Wasserpfeife vor wenigen Jahren noch als ungewöhnlich galt, vor allem in Deutschland, zeichnet sich diesbezüglich also ein Wandel ab.
Glücksspiel
Ein solcher Wandel ließ sich in der Vergangenheit bereits bei anderen Kulturgütern beobachten. Das Glücksspiel ist hierfür ein weiteres Beispiel. Ein Kulturgut, das fast so alt ist wie die Menschheit selbst und sich in mehreren Kulturen simultan entwickelt hat. Die ältesten gefunden Würfel stammen aus dem Jahr 3.000 v. Chr. in China. Doch auch früh gab es bereits erste Restriktionen. Dennoch hat sich das Glücksspiel bis heute über Jahrtausende hinweg in vielen Kulturen gehalten und wird daher mittlerweile ebenfalls als Kulturgut angesehen. Denn Kulturgüter können auch Gewohnheiten oder Traditionen sein, die Vergnügen bereiten und die jeweilige Zeit widerspiegeln. Gerade, weil das Glücksspiel in vielen Kulturen sowie Zeitaltern verboten war, hat es eine besonders wichtige Rolle in der Gesellschaft gespielt. Es wurde beispielsweise zum Luxusgut der Schönen und Reichen oder zum Protest gegen die Machthaber in Form von illegalen Hinterhofcasinos. Und auch heutzutage ist das Glücksspiel ein ebenso ungewöhnliches wie weit verbreitetes Kulturgut, dessen Weiterentwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Stattdessen spiegelt es die heutige Zeit wider, indem es immer mehr auf digitale Kanäle abwandert, sprich in Form von Online-Casinos. Doch die ursprünglichen Merkmale dieses Kulturguts sind dennoch seit Tausenden von Jahren unverändert geblieben. So gilt beispielsweise Fairness nach wie vor als höchstes Gut im Glücksspiel, sei es offline oder auf einem der neuen Kanäle, wo diese durch Algorithmen sichergestellt wird. Das Glücksspiel ist somit als internationales Kulturgut anzusehen, dessen Ausprägungen mal mehr und mal weniger ungewöhnlich sind – das sich aber durchaus von klassischen Kulturgütern erheblich unterscheidet.
Foto: Adobe Stock, © Angel de Jesús
Totenbräuche
Zuletzt können selbst Bestattungsriten und Totenbräuche als Kulturgut angesehen werden. Wie eine Kultur mit ihren Verstorbenen umgeht, sagt schließlich viel über sie aus, über ihren Glauben und ihre Werte. In zahlreichen Ländern sind die Totenbräuche aus unserer Sicht kaum ungewöhnlich. Anders in Madagaskar. Dort werden alle fünf bis elf Jahre zum Familienfest „Famadihana“ die Gebeine der Toten aus der Gruft geholt. Die Lebenden feiern daraufhin gemeinsam mit den Toten eine große Feier, bei denen mit den Überresten gesprochen oder sogar gekuschelt wird. Hierfür werden sie in neue Leichentücher gewickelt. Als Umbettung der Toten wird diese Tradition beschrieben. Ähnlich skurril wirken auf unsere Kultur zudem Bräuche wie die Buddhistische Himmelsbestattung oder das mexikanische Totenfest „Día de los Muertos“. Auch sie haben jedoch ihre Daseinsberechtigung als Kulturgut.
All diese Beispiele machen deutlich, dass Kulturgüter vielfältige Formen annehmen können und es zahlreiche Gegenentwürfe zu den Klassikern wie Literatur, Malerei, Musik, Theater & Co gibt. Die Globalisierung sorgt außerdem dafür, dass unterschiedliche Kulturen immer mehr verschmelzen. Dadurch wandern auch Kulturgüter zwischen den Kulturen, sie dehnen sich aus oder aber sie verschwinden vollständig. Umso wichtiger ist es, sich ihre Bedeutung für das kulturelle Erbe bewusst zu machen und sie aktiv zu bewahren – seien sie auch noch so ungewöhnlich.