Unheimliches Tal / Uncanny Valley: Kammerspiele, München
Thomas Melle? Ist kein Dogmatiker – wie die Zusammenarbeit mit Rimini Protokoll in München zeigt.
Thomas Melle ist spätestens seit der Theatertreffen-geadelten Burgtheater-Aufführung „Die Welt im Rücken“ der wichtigste Vertreter neuerer Dramatik im deutschsprachigen Raum. Allerdings hatte Jan Bosses „Die Welt im Rücken“-Inszenierung mit Joachim Meyerhoff auch ein schauspielerisches Schwergewicht an Bord, was für die Einzigartigkeit des Abends zweifellos wichtig war. Stefan Kaegi und seine Dokumentartheatergruppe Rimini Protokoll hingegen brauchen nichts weniger als schauspielerische Schwergewichte; bei ihren Arbeiten treten „Experten des Alltags“ auf, die ihr eigenes Spezialistentum zum Thema des Theaters machen. Entsprechend ist die Paarung Melle-Kaegi bei „Unheimliches Tal / Uncanny Valley“ gelinde gesagt eine Überraschung. Aber auch Melle ist in seinen Dramen kein Dogmatiker der reinen Theatertext-Lehre, die Zusammenarbeit ist vor allem ein funkensprühendes Aufeinandertreffen von Dramatik und Postdramatik. Konkret besteht die Aufführung aus einem Vortrag Melles über Unstetigkeit – der allerdings durch einen humanoiden Roboter gehalten wird. Was das alte Rimini-Protokoll-Thema der künstlichen Intelligenz klug zur radikalen Subjektivität des Melle-Theaters weitet: „Was geschieht, wenn ein Mensch kopiert wird?“