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Die Leiche darf nicht sterben

Unter Freunden stirbt man nicht
V.l.: Annette (Adele Neuhauser), Ella (Iris Berben), Joachim (Heiner Lauterbach), Friedrich (Michael Wittenborn) (Foto: TVNOW/Frank Dicks)

Iris Berben, Adele Neuhauser, Michael Wittenborn, Heiner Lauterbach, Walter Sittler: „Unter Freunden stirbt man nicht“ mit Starensemble.

„In ,Unter Freunden stirbt man nicht‘ stehen die Freundschaft und der Zusammenhalt im Vordergrund“, sagt Iris Berben in einem Making-of-Interview zur Miniserie, die jetzt auf TVNow als eine von vielen neuen Eigenproduktion des Senders startet. Dass man, sobald man das hört oder liest, schallend lachen muss, liegt nur an einer Sache: Freunschaft und Zusammenhalt werden schon in der ersten Folge ganz drastisch auf die Probe gestellt. Kurz zum Inhalt: Hermann (Walter Sittler; er überspielt als Leiche nicht im Geringsten) wird von seinen Freunden tot aufgefunden. Ella (Iris Berben), Annette (Adele Neuhauser), Joachim (Heiner Lauterbach) und Friedrich (Michael Wittenborn) sind nur kurz schockiert, dann wechseln sich die Meinungen, was zu tun sei, auch schon ab und erste kleine Streitereien keimen auf. Und als einer der Vieren im Nebensatz erwähnt, dass Hermann auf der diesjährigen Liste für den Wirtschaftsnobelpreis stehe, ist es bald ganz um die Einigkeit der Trauernden geschehen. Dann entscheiden Ella, Annette, Joachim und Friedrich, den Tod des Freundes so lange geheim zu halten, bis der Nobelpreis vergeben ist. Der Grund: Tote können keinen Preis aus Stockholm mehr bekommen. Schon einen Tag nach der Verkündung aber dürfen die Preisträger sterben und kriegen den Preis nicht mehr aberkannt.

„Unter Freunden stirbt man nicht“ ist ein Remake der israelischen Serie „Stockholm“, Regie führte Felix Stienz, der schon Serien wie „Merz gegen Merz“ und „Frau Jordan stellt gleich“ drehte und damit seine Qualitäten bei komischen Formaten genügend unter Beweis stellte. Auch die neue Miniserie ist ihm gelungen. Alleine die Einstiegsidee ist ausgezeichnet: Adele Neuhauser, die Kommisarin aus dem Wien-Tatort, gleich zu Beginn von „Unter Freunden stirbt man nicht“ in den Verhörraum der Polizei zu schicken und die nur vordergründig devot-ängstliche Annette dort in erste Widersprüche zu verwickeln, sorgt für einen starken Start in die Handlung. Fortan funktioniert die Serie auf dieser Zweiteilung: Verhör – Rückblende in die vergangene Wirklichkeit. Oder spielte sich doch alles ganz anders ab? Auf alle Fälle geschehen hanebüchene Dinge. Allein die Tatsache, dass ein heißer Hochsommer alle Bemühungen torpediert, eine Leiche in einer nicht klimatisierten Wohnung zu lagern, sorgt für Szenen mit äußerst schwarzem Humor. Die Aufzählung von Folgeproblemen und -taten durch den verhörenden Polizisten lässt außerdem ahnen, was die Serie noch bringen wird: „Der Unfall, das Feuer, die Entführung.“

Heiner Lauterbach spielt eine erstaunlich starke Rolle als Vertreter des Machtworts. Ob das so bleibt, kann in dieser Rezension nach Sichtung von erst einer Folge nicht endgültig gesagt werden. Iris Berben ist solide in ihrer Rolle, während Michael Wittenborn mal aufpassen muss, dass er nicht immer nur den zerstreuten Professortypen gibt. Aber das gilt für die Zukunft, hier gibt er perfekt den Bremser, Moralisierenden, der nicht immer gleich allen Ideen bei der Umsetzung folgen will. Vor allem aber Adele Neuhauser spielt ihre Rolle hervorragend. Die Buchändlerin Annette, sorgt gerade für Schlagzeilen. Sie wird gerade in den sozialen Medien als Antisemitin an den Pranger gestellt. Ein jüdischer Buchautor hat sie am Abend vorher nach einer Lesung begrapscht, woraufhin sie den Querschnittsgelähmten mitsamt seinem Rollstuhl umschmiss. Die Szene wurde gefilmt und steht jetzt im Netz – mit sich überschlagenden Ereignissen als Folge bis hin zum Boykott der Buchhandlung wegen einer vorgeblich antisemitschen Tat. Mit diesen politischen Unkorrektheiten ist die Serie auf TVNow schon jetzt eine der absoluten Empfehlungen für die Tage des Shutdowns. Sie ist beste Medizin gegen zu besinnliche Zeiten. jw

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