Jedes Ding hat seine Zeit: „Upside down Blues“ von Eduard Shifrin
Eduard Shifrins Stimme ist in den ganz tiefen Lagen zuhause, wenn er mit der Shyfrin Alliance seine düsteren Songs abliefert. Ursprünglich ist er aus ganz anderen Gründen bekannt – und im Kreml verhasst.
Wer mit 64 Jahren zum ersten Mal als Musiker auf sich aufmerksam macht, muss sich die Frage gefallen lassen, was er bis dahin getan hat. Googelt man den Namen Eduard Shifrin, stößt man auf die Vita eines promovierten Wissenschaftlers und Geschäftsmanns, der einst in der Forbes-Milliardärsliste geführt wurde, der dann aber in der Weltwirtschaftskrise von 2008 und durch den Russland-Ukraine-Konflikt einen großen Teil seines Vermögens verloren haben muss. „Na ja, ich habe so dies und das getan, bevor ich angefangen habe, mich mit Musik zu beschäftigen“, erklärt Shifrin ein wenig ausweichend. „Das kann man ja alles bei Wikipedia nachlesen.“ Nur von dem, was im Netz über sein Vermögen nachzulesen sei, stimme nichts, sagt der Mann, der in der Vergangenheit unter anderem mit der Privatisierung eines Stahlwerks im südostukrainischen Saporischschja ebenso in Verbindung gebracht wurde wie mit dem Bau des Trump-Towers in Toronto sowie der Beteiligung an Supermarktketten und Reedereigeschäften.
Eduard Shifrin: „Dass ich auf Russlands Wanted-Liste stehe, war zu erwarten“
Jetzt also ist aus dem Entrepreneur ein mit seiner Familie in London lebender Privatier geworden, und zwar einer, der in Moskau in Ungnade gefallen ist: „Dass ich auf Russlands Wanted-Liste stehe, war zu erwarten, nachdem ich in mehreren Artikeln und Interviews meine Haltung zum Krieg in der Ukraine deutlich gemacht habe“, sagt Shifrin. Er versuche, wachsam zu sein, weil er bereits Drohungen erhalten habe, antwortet der Mittsechziger auf die Frage, ob er sich sicher fühle. Nur wenn die Ukraine gut bewaffnet und stark bleibe, sei ein nachhaltiger Frieden möglich für das Land, in dem seine Großeltern und Eltern begraben sind und in das auch er gern zurückkehren würde.
Doch bis das irgendwann einmal wieder möglich ist, möchte Eduard Shifrin Musik machen mit der Shyfrin Alliance. Mit einer französischen Studioband hat er das Album „Upside down Blues“ aufgenommen. Wie kam’s überhaupt dazu, dieses ziemlich aufwendige Projekt zu starten? „Jedes Ding hat seine Zeit“, zitiert Shifrin aus dem Alten Testament und erklärt: „Mein Musikprojekt ist die Folge meiner Auseinandersetzung mit der Kabbala und der Wissenschaft.“ Ihm gehe es um die Beziehungen zwischen Mensch und Gott, Leben und Tod, Liebe, Zeit, Seele: „Durch die Musik finde ich einen neuen Zugang zu diesen Themen, die mich schon lange beschäftigen.“
„Upside down Blues“ von Eduard Shifrin: Out now!
Wer bei „Upside down Blues“ genau hinhört, erkennt, dass da an keiner Ecke gespart wurde. In gleich drei Studios wurden die Aufnahmen mit Bläsern, Streichern, Backgroundsängerinnen eingespielt – das muss man sich leisten können und wollen. Shifrin sagt, er habe zu jedem Zeitpunkt der Produktion die volle Kontrolle über den Aufnahmeprozess und die Arrangements gehabt. Dieses Bild vermittelt auch das Promovideo der Aufnahmesessions: Der Mann, der seine Augen gern hinter dunklen Brillengläsern verbirgt, gestikuliert, diskutiert mit Musikern, Arrangeur und Toningenieur, und er scheint immer hundertprozentig bei der Sache zu sein, auch wenn er nicht gerade selbst mit seinem Doom-Bassbariton ins Mikro grummelt. Von Musik versteht er ohnehin eine ganze Menge, als Kind hatte er klassischen Klavierunterricht, später kam die Gitarre hinzu: „Meine mittlerweile verstorbenen Eltern liebten Jazz, und in diesem Umfeld bin ich aufgewachsen.“
Eine Eintagsfliege soll„Upside down Blues“ nicht werden: Im Herbst vergangenen Jahres wurden elf weitere Blues- und Rocktitel aufgenommen, vier weitere sind noch in Arbeit. Geht die Shyfrin Alliance irgendwann auch einmal mit dem Material auf die Bühne, wie sich das für Bluesrocker eigentlich gehört? „Na ja mal sehen, warum nicht? Ich liebe Herausforderungen“, sagt Eduard Shifrin.