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Valentina D’Urbano: Mit zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung

Es lohnt sich wahrlich, das furchtbare Cover von Valentina D’Urbanos erstem Roman beiseite zu klappen, um die dahinter verborgene Geschichte für sich sprechen zu lassen. Denn was äußerlich anmutet wie ein melodramatischer Kitschroman, entpuppt sich in Wahrheit als die kraftvoll erzählte Chronik einer Jugend, die längst nicht so kaputt ist, wie die Umstände in La Fortezza es diktierten. Die 20-jährige Beatrice ist in einem italienischen Ort aufgewachsen, der nicht nur von Touristen, sondern sogar von Ordnungshütern gemieden wird, wann immer es möglich ist. Wie ein kranker Organismus besteht dieser Ort fernab vom besseren Leben – oder auch nur der Vorstellung davon.

Wo der Drogenhandel der womöglich aussichtsreichste Wirtschaftszweig ist, Wohnungen besetzt und Rechnungen mit Blut oder gar nicht bezahlt werden, dort lebt, liebt und leidet Beatrice. Urbano schneidet mit roher, intuitiver Sprache durch das krude Dickicht und macht in rasantem Tempo eine Zeit erlebbar, die sich wie eine Ewigkeit anfühlen musste. Weder verstrickt sie sich in larmoyanten Bildern, noch bläht sie Ereignisse auf.

Selbst in einem nicht unähnlichen Ort aufgewachsen, stattet Urbano ihre Protagonistin nicht mit Mitleid aus. In ihren Worten flackert ein kämpferischer Geist, der weder ohne Grund noch zum Selbstzweck rebellisch ist. Die einfühlsam dargestellte Hassliebe von Beatrice zu Alfredo, der zum tragischen Exempel eines Bewohners von La Fortezza wird, raubt ihr die Kraft – doch nicht den Verstand. Man könnte „Mit zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung“ einen Jugendroman nennen, anteilig gar eine Sozialstudie, doch es will all das gar nicht sein. Urbanos Debüt ist eine Geschichte von Selbstermächtigung und langem Atem – nicht wunderbar, aber wunderbar geschrieben.

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