Véronique Olmi: Das Glück, wie es hätte sein können
Véronique Olmi macht es einem mit ihrem zehnten Roman „Das Glück, wie es hätte sein können“ wahrlich nicht leicht. Da ist zunächst einmal der verhältnismäßig nüchterne Einstieg in ihre Erzählung: Serge, 60 Jahre alt, Makler und verheiratet mit der 30 Jahre jüngeren, ebenso schönen wie hingebungsvollen Lucie, fühlt sich von seinem Leben nicht erfüllt. Das merkt er spätestens, als er Suzanne begegnet. Die Klavierstimmerin ist älter und weniger von einer oberflächlichen Schönheit, doch gerade ihre leicht vulgäre Art verspricht Serge etwas anderes als das gesetzte, voraussagbare Leben, das er kennt. Auch Suzanne ist verheiratet, und auch sie sucht den Ausbruch. Die beiden beginnen eine Affäre, verlassen ihre Partner – und trennen sich schlussendlich wieder voneinander.
Olmis Leistung liegt darin, die fadenscheinigen Konstrukte von Zufriedenheit in den Blick zu nehmen und scharfzustellen. Wie Kommunikation und zwischenmenschlicher Umgang von der Gewohnheit durchsetzt wird, gemütliche Selbstverständlichkeit Leidenschaft ablöst, wie Bedürfnisse im Vakuum einer Beziehung verdorren: All dies erfasst und seziert Olmi äußerst präzise. Ihre Figuren bleiben indes eher blass. Suzanne im indirekten Duell gegen die jüngere, betont schöne Lucie antreten zu lassen, um Serge um die Erkenntnis zu bereichern, dass Schönheit nicht alles bedeutet, ist beispielsweise erzählerisch so aufwandsarm, dass es wahlweise unglaubwürdig oder wenig berichtenswert erscheint. Wie das erneute Scheitern in Beziehungsfragen doch noch Chancen für das weitere Leben birgt, ein folgenschwerer Brief aus Serges Vergangenheit …
Man hört das Melodram schon trappsen, und wenn Olmi zudem hier und da den ein oder anderen sprachlichen Schnörkel zuviel dreht, steuert sie dagegen nicht gerade an. Man muss nach dem, was Olmi eigentlich hervorragend ausstellt – nämlich als Erfüllung getarnte Provisorien – unglücklicherweise doch gut Ausschau halten. Das kann man als Aufgabe an den scharfsinnigen Leser begreifen – oder aber als kluge, doch literarisch verwässerte Beobachtung. (lan)