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Wim Wenders

Alle halten Wim Wenders für einen bierernsten Intellektuellen. Warum nur? Wenders erzählt: vom Komischsein und wie gut das tut, von der Altersweisheit, von der Freiheit, der Verantwortung und wie es war, als Trümmerkind im Western einen Traumraum zu finden. Moment mal – das ist alles kein bisschen intellektuell …

kulturnews: Herr Wenders, waren Sie immer schon so wehmütig, oder ist das eine Frage des Alters?

Wim Wenders: Eigentlich ist mit dem Alter die Wehmut gewichen und hat einer gewissen Fröhlichkeit Platz gemacht. Warum meinen Sie wehmütig?

kulturnews: Die Hauptfigur in Ihrem Film ist ein alternder Westernheld, der auf der Suche nach sich selber und der Freiheit ist, merkt, dass es keine Grenzen mehr zu erschließen gibt und dass er ein Anachronismus ist. Das nenne ich wehmütig.

Wenders: Stimmt, es fängt sehr wehmütig an. Wenn so ein 60-jähriger Mann nur noch bei seiner Mutter Unterschlupf finden kann: Das ist wehmütig.

kulturnews: Wann wich Ihre Wehmut der Fröhlichkeit?

Wenders: Ich glaube, mit zunehmender Altersweisheit. (lacht) Fröhlichkeit hat ein bisschen damit zu tun, dass man sich selbst nicht mehr ganz so ernst nimmt. Ich habe mich eher ernst genommen, das ist wohl eine deutsche Eigenschaft als deutscher Künstler.

kulturnews: Ist Ihnen das nicht auch mit dem Image des intellektuellen Autorenfilmers aufgedrängt worden? Haben Sie das schlicht irgendwann selber geglaubt?

Wenders: Wenn man sich im nachhinein die Filme anguckt, dann sind das eigentlich keine kopflastigen Filme, selbst „Der Himmel über Berlin“ nicht.

kulturnews: Aber das Image ist da.

Wenders: Dann müssen wir da jetzt mal was gegen tun.

kulturnews: Machen wir. Wie haben Sie Ihr Deutschsein über Bord geworfen?

Wenders: Das hat viel damit zu tun, dass ich die letzten acht Jahre in Amerika gelebt habe, da war dieses Vorurteil erstmal apriori sowieso nicht da. Und dann ist man da auch nicht so intellektuell, weil das Kino nicht so ein intellektuelles Medium ist, und meine Filme da auch nicht so gesehen wurden. Ich habe von Anfang an einen Bonus gehabt.

kulturnews: Die Distanz zum Heimatland hat Ihnen geholfen, Distanz zu sich selber aufzubauen?

Wenders: Ja, man redet auch auf englisch leichter dahin. Auch komisch zu sein gelingt einem auf englisch oft besser als auf deutsch.

kulturnews: Warum?

Wenders: Deutsch ist nicht die Sprache der Komiker, sondern der Dichter und Denker.

kulturnews: Das amerikanische Englisch kennt auch ungleich mehr Idiome als das deutsche. So gerät die Sprache spielerischer.

Wenders: Der Smalltalk ist eine Erfindung der englischen Sprache, vor allem der Amerikaner. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf einen selber: Man muss nicht immer so bedeutungsschwanger daherkommen – dass tut einem schon ganz gut.

kulturnews: Spüren Sie einen Unterschied in der Erwartungshaltung, wenn Sie zurück nach Deutschland kommen?

Wenders: Die Erwartungen sind immer gleich ganz andere, mit denen Leute auf einen zukommen. In Deutschland ist es schwer, da muss ich mich immer erstmal behaupten, und manchmal gelingt das auch nicht. Gerade im Fernsehen ist das schwer: Man redet locker mit den Moderatoren, und dann fängt die Sendung an, und auf einmal geht das ganz anders weiter. Auf einmal kommen ganz andere Fragen, auf einmal wird es so seriös. Und kaum ist es vorbei, da lachen wieder alle und sind vergnügt. Aber der Wenders muss irgendwie immer bierernst präsentiert werden.

kulturnews: Freiheit ist auch ein Thema Ihres Films. Wie viel Freiheit ist in der modernen Gesellschaft noch möglich, wo biometrische Datenerfassung und Einschränkungen der Bürgerrechte aus Sicherheitsgründen immer weiter vorangetrieben werden.

Wenders: Wir sind insgesamt von außen geleitet und geführt, unsere Gesellschaft gängelt uns immer mehr und spielt uns Freiheit vor, die es gar nicht mehr gibt. Dann werden uns ständig bürgerliche Freiheiten entzogen. Insofern ist die Freiheit, die man sich heute nehmen kann, die, sich seiner Verantwortung zu stellen oder die, sich aus diesen Zwängen so gut man kann zu lösen und seine eigenen Entscheidungen zu fällen. Wenn du merkst, du hast Scheiße gebaut, dann stell dich dieser Scheiße.

kulturnews: Wie ist eigentlich Ihr persönliches Verhältnis zum Western?

Wenders: Der amerikanische Western war das erste Genre, das ich so als solches erkannt habe. Wo ich zum ersten Mal richtig gemerkt habe: Kino ist was Tolles. Da war ich noch ein kleiner Junge, das war alles unbewusst.

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