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Windisch Quartet im Interview zu „Meander“: Bloß keine Schubladen!

Pressefoto Windisch Quartett
(Foto: Noel Richter)

Das Windisch Quartet legt mit „Meander“ bereits sein zweites Album vor. Wir haben mit Bandleader Julius Windisch ein Interview geführt.

Nicht nur London hat Jazzfans weltweit den Kopf verdreht. Auch die deutsche Hauptstadt bringt aktuell einige der spannendsten Acts des Genres hervor. Darunter ist auch das Windisch Quartet, das mit einer originellen Mischung aus Fusion, Elektronik und Melodik seinen ganz eigenen Weg geht. Das hat schon das Debüt „Pros and Cons“ bewiesen, doch der Nachfolger „Meander“ setzt noch einmal einen drauf. Außer Julius Windisch als Bandleader, Komponist und Pianist besteht das Windisch Quartett aus Sölvie Kolbeinsson am Altsaxofon, Felix Henkelhausen am Kontrabass und Max Santner am Schlagzeug. Wir haben mit Julius Windisch über „Meander“ gesprochen.

Julius, „Meander“ ist euer zweites Album. Was hat sich beim Komponieren und Aufnehmen im Vergleich zum Debüt verändert?

Julius Windisch: In der Vorbereitung hatten wir aufgrund des Lockdowns keinerlei Möglichkeit, die Musik live zu spielen. Das hat mich vor der Aufnahme zuerst stark verunsichert, aber im Nachhinein hatte ich das Gefühl, dass es auf eine Art die Musik besonders gemacht hat. Außer „Dichte“ entstanden alle Songs während der Corona-Zeit, die natürlich unbefriedigend war, da wenig bis keine Konzerte passierten; es fühlte sich oft nach Stillstand an für mich. Auf der anderen Seite war es die erste Zeit, in der ich so viel zu Hause war wie seit 2014 nicht mehr. Das gab mir eine große Ruhe und Gelassenheit zum Komponieren. Ich habe das Gefühl, die Stücke des zweiten Albums sind wesentlich unaufgeregter und gelassener als die des ersten. Ich habe mehr „Songs“ geschrieben als vertrackte Kompositionen.

Was bedeutet der Titel „Meander“? Geht es vornehmlich um das Mäandern zwischen Genres und Stilen, oder steckt da mehr dahinter?

Windisch: Es geht auf jeden Fall um des Mäandern zwischen verschiedenen Stilistiken, ja. Für mich steht es auch für das Mäandern zwischen Kontrolle und Losgelöstheit, Freiheit und Verantwortung innerhalb der Band: Wer übernimmt wann welche Rolle wie lang; wie weit kann man sich aus dem Fenster lehnen während des Solos, um nicht die komplexe Form zu verlieren; wie weit kann ich „gegen“ die Idee des Stücks spielen und so weiter … Das ist alles jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung. Ich versuche, Stücke zu schreiben, die mir schwer fallen zu spielen, damit mir auf jeden Fall nicht langweilig wird und ich nicht in bestimmte Verhaltensmuster verfalle, sondern jedes Mal aufs Neue gezwungen bin, ehrlich der Musik zu begegnen.

Julius Windisch: „Hoffentlich finde ich nie die perfekte Lösung“

Die Titel der Tracks reichen von „Clumsy sad Sloth“ bis „Endlich mal wieder 15“. Wie kommst du auf diese Namen?

Windisch: Das ist unterschiedlich je nach Stück: Manchmal ist es für mich ein sehr konkretes Gefühl, das ich versuche, in Worte zu fassen, wie bei dem Song „Dichte“. Beim Stück „Certain Uncertainty“ beschreibt es für mich die konstante Unsicherheit, die man beim Komponieren und Spielen hat, ob das, was man spielt bzw. schreibt, gut ist. Gleichzeitig aber auch die Sicherheit, dass man irgendwie schon etwas Wertvolles schaffen wird, wenn man es nur versucht und immer dranbleibt.

Manchmal klingt das Album fast nach Ambient, dann wieder sehr klassisch nach Jazzquartett. Wie erreicht man die richtige Balance zwischen Komposition und Improvisation?

Windisch: Das frage ich mich auch konstant. Mit diesem Album habe ich versucht, eine mögliche Balance davon zu zeigen, aber es gibt auch noch unzählige andere. Hoffentlich finde ich nie die perfekte Lösung, sondern werde immer weiter forschen. Mein Ziel ist es immer, zu überraschen von Stück zu Stück, sodass es nicht leicht wird, sagen zu können: Ah, Julius Windisch, der schreibt Musik, die so und so klingt. Ich mag es nicht, in Schubladen gepackt zu werden.

Vom Jazzkonzert ins Berghain

Welchen Einfluss hat Berlin auf euren Sound?

Windisch: Die Musiker meiner Freund:innen und Kolleg:innen in Berlin beeinflusst auf jeden Fall die Musik, die ich selbst schreibe. Ich bin sehr glücklich, in dieser Stadt zu leben, in der es möglich ist, mit Menschen zu spielen, die nicht in Genrekategorisierungen denken, sich ständig weiterentwickeln wollen, immer neugierig, offen und respektvoll bleiben.

Dass man ständig einer großen Vielfalt von Musik, Kunst und künstlerischen Ausdrücken ausgesetzt ist und es kein Widerspruch ist, zu einem Konzert der Jazzszene zu gehen, in der gleichen Nacht ins Berghain und am nächsten Abend in eine tolle Galerie, in die Philharmonie, zu einer Klanginstallation … Dass all das jederzeit möglich und dazu auch noch bezahlbar ist, ist sehr befreiend und inspirierend. Es ist die erste Stadt, in der ich das Gefühl habe, so sein zu können, wie ich bin.

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