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Zaz: Vogelfrei

Zaz Portraitfoto
(Foto: Yann Orhan)

Zwei schwierige Jahre lang war sich Isabelle Geffroy sicher, dass es mit Zaz vorbei ist. Doch dann hat sie neue Freiheiten entdeckt.

Zaz, dein letztes Album „Effet Miroir“ ist vor 3 Jahren erschienen. In der Zwischenzeit bist du lange auf Tour gewesen – und dann kam der Lockdown. Wie hast du die letzten zwei Jahre erlebt?

Isabelle Geffroy: Eigentlich habe ich keine Pause gemacht, seitdem 2010 mein erstes Album erschienen ist. Das war wie eine Explosion, und ich habe seitdem immer zehntausend Projekte am Laufen gehabt. Ich habe nie aufgehört. Deshalb hatte ich mich auch schon vor dem Lockdown entschieden, eine Pause zu machen. Diese Zeit hat dann meine Entscheidung nur verstärkt: Das, was ich im Außen gesehen habe, war ein gutes Spiegelbild für das, was in meinem Inneren vor sich ging. Ich war sehr orientierungslos.

Bist du mit der Absicht in die Pause gegangen, ein Zaz-Album zu schreiben?

Geffroy: Es hat mir echt gereicht – ich hatte überhaupt keine Lust mehr auf Zaz. Nach den ersten paar Monaten der Pause wollte ich sie am liebsten umbringen, um wieder zu Isa zurückzufinden und um mich um mein Privatleben zu kümmern. In den zurückliegenden Jahren ist meine Energie immer nach außen gegangen, und es gab kaum Zeit für Introspektion. Ich glaube, ich hätte eigentlich schon viel eher eine Pause machen müssen, aber ich habe es einfach nicht geschafft. Deshalb gab es für mich auch keinen klaren Rahmen, wie es mit Zaz weitergehen soll. Ich hatte nur das Gefühl, ich müsste jetzt andere Dinge machen, anderes erleben und gucken, was eigentlich in mir drin ist.

Zaz: Trennung von Überzeugungen und Gewohnheiten

Im Gegensatz zum Vorgänger mit seinen elektronischen Beats ist „Isa“ deutlich reduzierter und ausschließlich akustisch.

Geffroy: Diese Pause ist überall auf dem Album zu hören. Es handelt von Introspektion und meinen Erkenntnissen, vom Loslassen und von Erinnerungen. In dieser Zeit sind Themen bei mir aufgetaucht, von denen ich gedacht hatte, dass ich mit ihnen längst abgeschlossen habe. Ein großer Teil von dieser Zeit bestand darin, mich von bestehenden Überzeugungen und Gewohnheiten zu trennen und viel zu verändern. Daher diese Orientierungslosigkeit.

Was hast du in dieser Zeit der Reflexion über dich selbst gelernt?

Geffroy: Ich bin von Natur aus sehr exzessiv. Gerade, was meine Gefühle angeht: Wenn ich glücklich bin, dann bin ich sehr glücklich, und wenn ich traurig bin, dann bin ich supertraurig. An dem Punkt habe ich gelernt, nuancierter zu sein. Das gab es vorher nur wenig in meinem Leben, und ich musste Wohlwollen mir und anderen gegenüber entwickeln. Ich bin sehr anspruchsvoll und überhaupt nicht geduldig. Jetzt weiß ich, dass diese Art der Veränderung ein Prozess ist: Mein Kopf glaubt immer, alles schon längst verstanden zu haben, aber mein Unterbewusstsein und meine Gewohnheiten müssen auch hinterher kommen. Es fühlt sich an, als hätte ich in den letzten Jahren ganze Ozeane durchquert. Aber ich habe schnell gelernt, Vertrauen zu haben, dass alles gut wird. Und tatsächlich habe ich erfahren, dass es weitergeht. Auch, wenn es sich in dem Moment der Trauer so anfühlt, als wäre es das Ende der Welt.

Welche Überzeugungen und Gewohnheiten musstest du überwinden?

Geffroy: Ich habe in meiner Kindheit viele dysfunktionale Muster erlebt und mich ihnen angepasst. Deshalb führe ich Situationen herbei, die ich eigentlich nicht mehr brauche. Aber sie sind mir nun mal sehr vertraut, und ich weiß, wie ich mich in ihnen verhalten muss. Es ist wirklich schwierig, die Art und Weise, wie man fühlt, neu zu denken und zu verstehen. Besonders die Liebe: Ich habe gemerkt, dass ich mich da in der Vergangenheit vor allem geschützt habe. Ich musste erst lernen, Liebe wirklich zuzulassen. Das hat auch eine transgenerationelle Komponente: Die Frauen in meiner Familie haben ein Schuldgefühl, eine Opferbereitschaft und eine Verantwortung für das Leid der anderen weitergegeben.

Du klingst auf „Isa“ regelrecht befreit: Nicht nur als Sängerin, du benutzt deine Stimme und deinen Körper auch als Musikinstrumente. War es für diese Experimente wichtig, dich neu zu festigen?

Geffroy: Ja, das hast du gut beobachtet. Ich musste mich neu aufbauen und zurück zu dem Selbstvertrauen finden, mit dem ich früher Musik gemacht habe. Mit dem Beginn meiner Pause hatte ich auch meine Stimme verloren: Ich konnte einfach nicht mehr singen. Also habe ich mich ausprobiert und viel experimentiert: Ich habe Gesangsunterricht genommen, habe mich im Theater und Tanz ausprobiert und an einer Schreibwerkstatt teilgenommen. Als es dann so weit war, dass ich tatsächlich wieder Lust hatte, ein Album zu machen, habe ich mich hingesetzt und einen langen Text für meine Autor:innen und Musiker:innen geschrieben, in dem ich dargelegt habe, wo ich emotional stehe und worüber ich singen möchte.

Ein widerkehrendes Motiv auf „Isa“ sind Vögel. War das eine deiner Leitlinien für die Autor:innen?

Geffroy: Vögel faszinieren mich schon, seitdem ich klein bin. Ich habe als Kind immer versucht, ihren Gesang nachzuahmen. Für mich sind sie ein Symbol der Hoffnung, des Lebens und der Freiheit. Völlig klar: Sie können fliegen! (lacht) Und sie sind wahnsinnig kreativ. Sie singen ständig und nie zweimal das gleiche. Sie drücken sich aus – weil sie gar nicht anders können.

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