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Zwei Schweden allein zu Haus

Fürs neue Album hat sich das schwedische Indierockduo Johnossi in eine einsame Villa zurückgezogen. Mit viel Bier und ein paar philosophischen Fragen.Von Steffen Rüth

Sie haben diese eine goldene Regel, an der sie partout nicht rütteln. „Ernste Gespräche führen wir miteinander nur, wenn wir nüchtern sind“, so Oskar „Ossi“ Bonde, der Schlagzeuger. „Wenn du besoffen bist, kannst du über Musik und solchen Kram reden, aber Unterhaltungen über die großen Fragen der Menschheit wie etwa Liebe und Beziehungen, die laufen mit Alkohol fast zwangsläufig aus dem Ruder.“ Und sie besäßen das toxische Potenzial, selbst eine von metertiefen Wurzeln gehaltene Männer- und Musikfreundschaft wie die zwischen Ossi und Sänger/Gitarrist John Engelbert mit den Jahren zu destabilisieren. „Wir sind Freunde seit unserer frühen Jugend und spielen seit 16 Jahren zusammen Rock’n’Roll-Musik“, fasst John zusammen. „Die Liebe füreinander ist immer noch unheimlich stark. Es wird uns auch nie langweilig mit dem anderen.“

Zuletzt haben John und Oskar, die aus einem ländlichen Vorort von Stockholm stammen und seit langem beide (jeder für sich) in der schwedischen Hauptstadt leben, besonders viel Zeit zusammen verbracht. Ihr neues Album „Torch//Flame“, das mittlerweile auch schon das insgesamt sechste ist, entstand nämlich nicht wie üblich im Tonstudio, sondern in einer imposanten Altbauvilla irgendwo auf dem Land bei Uppsala, in die sich die Band auf Vorschlag des Produzenten Pelle Gunnerfeldt (The Hives, Refused) einquartiert hatte. „Du kommst in einen besseren Rhythmus, wenn du weit weg von sämtlichen Ablenkungen bist, abends nicht erwartet wirst und so lange arbeiten kannst, wie du möchtest.“ Selbst Einkaufen und Kochen entfielen, die Herren Rockstars haben sich jeden Dienstag selbstgekochtes Essen liefern lassen und das dann die Woche über aufgetaut. Statt mit digitalen Effekten habe man mit dem Haus als solchem gearbeitet, Mikrofone im Dienst des klanglichen Effekts in den Schornstein gesteckt und sich insgesamt richtig bräsig breit gemacht. „Einen eigenen See gab es auch“, weiß Ossi zu berichten. Wer schon mal im Sommer in Schweden war, der weiß, was das bedeutet. „Nackt und mit viel Bier. Natürlich.“ Trotzdem sei es weitaus gesitteter zugegangen als bei den Rolling Stones, der Lieblingsband des Duos, die ihren Klassiker „Exile On Main St.“ vor fast 50 Jahren in einem Anwesen an der französischen Riviera aufgenommen und vor lauter Rotwein und Koks zeitweise den Fokus verloren haben.

Bei all dem Schweiß und Rockspaß, den diese Band verströmt und verkörpert, sollte man nämlich eins nicht außer Acht lassen: Die Songtexte sind ziemlich klug, fast philosophisch. Bei „Torch// Flame“ geht es um den äußeren Antrieb und das innere Leuchten, während „Longer the Wait, Harder the Fall“ davor warnt, dass Probleme umso massiver werden, je länger man sie aufschiebt. „Ich will Lieder singen, die was bedeuten“, sagt John Engelbert. „Sexy Rocksongs und nachdenkliche Inhalte sind für uns kein Widerspruch, sondern gehören zusammen.“

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