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Jahresrückblick 2024: Die 10 Lieblingsalben von Jonah Lara

Jahresrückblick 2024: Die 10 Lieblingsalben von Jonah Lara

Winterzeit ist Bestenlistenzeit. Unser Redakteur Jonah Lara stellt die 10 Alben zusammen, die das Jahr 2024 für ihn geprägt haben.

Hach, die Jahresrückblicke und die Bestenlisten. Ich geb’s zu, mit diesem Format führe ich eine kleine Hassliebe. Ich habe als heranwachsender Musiknerd jahrelang davon geträumt, irgendwann mal beruflich eine Jahresbestenliste zusammenstellen zu dürfen, und ich lese sie auch immer noch gern. Nur selber welche zu schreiben, das fällt mir erstaunlicherweise immer schwerer.

Und das hat nur bedingt was mit einem Gefühl der Verantwortung zu tun. Ob ich jetzt doch noch schnell das neue Album von Kendrick in die Bestenliste nehme oder nicht, ist letztlich auch nur mir wichtig. Nein, es hängt mehr damit zusammen, dass meine Ansprüche anscheinend gestiegen sind.

Am Ende des Jahres muss ich immer wieder feststellen, dass nur die allerwenigsten Alben, die ich bei den ersten Durchläufen noch so enthusiastisch auf die Longlist gesetzt habe, noch ernsthaft eine Chance haben. Was allerdings auch bedeutet, dass diese zehn Alben es wirklich in sich haben.

Welche Alben haben euer Jahr 2024 ausgemacht? Lasst es uns am besten direkt hier wissen, in unserer großen Leser:innen-Umfrage.

Jahresrückblick 2024: Meine 10 Lieblingsalben

10: Geordie Greep: The new Sound

Nur ganz knapp Platz 10, weil ich der irgendwie sympathisch-beiläufigen Auflösung der Gitarrenmusik-Hoffnungsträger black midi noch nachtrauere. Aber eben doch kein Wackelkandidat, weil Ex-Frontmann Geordie Greep solo so viel von dem liefert, was ich an black midi geliebt habe – manische Energie, viel Humor und eine gute Portion Weirdness. Nur die Brüche fehlen nach hinten raus ein bisschen.

Bester Song: „Holy, holy“

9: Terminal Nation – Echoes of the Devil’s Den

Terminal Nation entgehen dem Schicksal so vieler anderer Künstler:innen, die zu früh im Jahr Alben veröffentlichen, sodass ihr Eindruck schon verblasst ist, wenn die Bestenlisten-Zeit ins Haus steht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die vielen Krisen und Missstände, die sie anprangern, im Laufe des Jahres eher schlimmer geworden sind – und aber eben auch daran, dass diese Wut sie zum besten Songwriting ihrer Karriere befähigt hat.

Bester Song: „No Reform (New Age Slave Patrol)“

8: Konstantin Unwohl – Neuer Wall

Von allen meinen Top 10-Kandidaten fällt es mir am schwersten, etwas über Konstantin Unwohls drittes Album „Neuer Wall“ zu schreiben – weil es so ambivalent ist. Zum einen ist der Hamburger so optimistisch und unverzweifelt wie noch nie, zum anderen ist das Album über weite Strecken immer noch sehr deprimierend. Gleichzeitig aber auch catchy und kurzweilig, dafür musikalisch extrem eintönig. Und einmal („Ich hass es, wenn man Spaß hat“) auch komisch – mit einem maximal trockenen Humor.

Bester Song: „Ich hass es, wenn man Spaß hat“

7: Young Jesus: „The Fool“

Wenn ich „The Fool“ mit einem Wort betiteln müsste, wäre es „berührend“. Ein Wort, das eigentlich schön ist, aber verdienterweise ziemlich vorbelastet ist. Und doch lassen sich so wundersame Song-Miniaturen nicht anders adäquat beschreiben. Wenn in „Two Brothers“ die großartige Zeile „True love is a little bit like hell“ fällt, wenn „Rich“ völlig klischeefrei und erstaunlich reflektiert darum kreist, wie Geld eben leider doch kein Glück garantiert, dann leistet das eine ganze Menge, um das Adjektiv „berührend“ zu rehabilitieren. Vielleicht ist das sogar schon „rührend“.

Bester Song: „Two Brothers“

6: Johnny Blue Skies – „Passage du Desir“

Sturgill Simpson ist wieder da, nur heißt er jetzt anders. Den neuen Künstlernamen finde ich nach wie vor extrem bescheuert, das Album dafür umso schöner. Im Gegensatz zu seinen letzten Releases ist „Passage du Desir“ kein Statement, sondern nur eine Sammlung guter Songs. Die profitieren jedoch ungemein von der friedvollen inneren Ruhe, die Simpson mittlerweile kultiviert hat und zeigen so, dass es manchmal gar nicht mehr braucht.

Bester Song: „Jupiter’s Faerie“

5: Hamish Hawk – „A firmer Hand“

Ein musikalischer Rorschach-Test. Mal klingt der Brite nach den Smiths, mal nach Nick Cave, mal nach The Cure oder Rufus Wainwright. Und wo das für andere Künstler:innen gern zum Nachteil wird, weil sich irgendwie keine eigene Identität herauslesen lässt, zeigt Hamish Hawk vor allem durch einen extrem trockenen, schwarzen Humor und geschickte Texte, dass es auch anders gehen kann.

Bester Song: „Men like Wire“

4: Mount Eerie – „Night Palace“

Phil Elvrum bleibt unvorhersehbar. Hob der Songwriter vor vier Jahren noch seinen eigentlich aussortierten Projektnamen The Microphones wieder aus der Versenkung, kehrt er jetzt mit einem Mount Eerie-Album zurück, dass stellenweise mehr nach den alten Microphones-Alben klingt, als „Microphones in 2020“. Und doch ist „Night Palace“ noch viel mehr, vermischt Folk mit Doom Metal, Noise-Experimenten und elektronischen Beats und erweist sich als eines der besten Alben in Elvrums Karriere, die doch eigentlich eh fast nur aus Highlights besteht.

Bester Song: Bei „Night Palace“ einen einzelnen Song rauszupicken, ist unmöglich. Dafür funktioniert das Album zu sehr als Einheit. Stattdessen bekommt Mount Eerie dieses Jahr den Preis in der Sonderkategorie „kohärentestes Hörerlenis“.

Die besten Alben 2024: Die Top 3

3: Blood Incantation „Absolute Elsewhere“

Ich hatte nach ihrem Ambient-Kraut-Experiment „Timewave Zero“ genau auf ein Album wie „Absolute Elsewhere“ gehofft: Blood Incantation wagen es, ihre bisher klar voneinander getrennten Einflüsse endlich zu vermischen, wechseln mühelos von Growling und Riffs zu sphärischen Synthies und hippie-eskem Psychedelic Rock. Man sollte meinen, das würde nicht funktionieren, abgehackt klingen oder gewollt. Doch das ist es nicht. Es ist kompromisslos, aufregend, endlos kreativ und dabei zugleich noch eingängig.

Bester Song: „The Message (Tablet 2)“

2: Father John Misty – „Mahashmashana“

Ein ganz kleines Risiko und ein Geständnis: Ich kenne „Mahashmashana“ beim Zeitpunkt des Schreibens dieser Liste nur etwa drei Tage lang, habe es in dieser Zeit aber schon so intensiv lieben gelernt, dass es auf dieser Liste mühelos auf Platz zwei landet. So großspurig und ambitioniert wie mühelos und catchy, „Mahashmashana“ ist diese seltene Sorte Album, die alles will und alles schafft.

Bester Song: „Screamland“

1: International Music: „Endless Rüttenscheid“

Noch ein Geständnis: Ich kämpfe jedes Jahr bei den Bestenlisten mit mir, meine Picks nicht einfach stumpf nach der mit ihnen verbrachten Zeit zu sortieren. Das ist hier einmal nicht gelungen, allerdings aus gutem Grund. Das dritte Album von International Music besteht ausnahmslos aus Bangern. Es ist das Album, das ich die letzten Monate über ständig bewusst gehört habe, aber eben auch das, was ich angemacht habe, wenn ich nicht wusste, was ich sonst hören soll. Beim Einkaufen. Beim Autofahren. Beim Sport. Beim Aufräumen und beim Wäschewaschen und beim Fahrradfahren und beim Putzen.

Aber es ist eben nicht nur poppig und unverschämt eingängig. Es ist dabei auch genauso schlau und ambitioniert, wie die Vorgänger „Die besten Jahre“ und „Ententraum“, schafft diesen Anspruch allerdings ganz ohne Widerhaken oder Schlaubergerei. Im Gegenteil: das als Vignette neu aufgelegte „Mont St. Michel“, das dem Song endlich seine Traurigkeit zugesteht, die pure Jamseligkeit des Openers „Kraut“, das melodieverliebte „Karma Karma“ oder der explosive Finisher „Unterschied“ – noch nie haben International Music so unverstellt oder so gut geklungen.

Bester Song: „Guter Ort“

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