A.J. Grayson: Boy in the Park
„Boy in the Park“ wirft viele Fragen auf, doch die spannendste stellt sich erst nach der Lektüre: Wie hat es A.J. Grayson nur geschafft, einen Thriller zu schreiben, der selbst Krimiverächter überzeugt? Es fängt alles ganz harmonisch an: Statt mit einem brutalen Mord oder den Eskapaden eines abgefuckten Hauptkommissars steigt A.J. Grayson mit einem idyllischen Parkszenario ein. Hier lernt man den 40-jährigen Erzähler Dylan kennen, der als Kassierer arbeitet, seine Mittagspausen aber lieber in der Vegetation verbringt, um Gedichte zu schreiben. Und zu Dylans Routinen gehört es auch, einen kleinen Jungen zu beobachten, der wie er keinen Tag auf die Grünanlage verzichten mag. Erst nach vierzig Seiten ist der Frieden vorbei – denn plötzlich taucht der Junge mit blutverschmierten Armen auf. Während Dylan zunächst an einen Unfall beim Spielen glaubt und sich nicht einmischen will, wird er nach einigen Tagen doch unruhig. Doch gerade als er sich vornimmt, den Jungen nach den Gründen für seine Verletzungen zu fragen, wird jener vor seinen Augen gewaltsam in ein Gebüsch gezerrt – und bleibt von da an verschwunden. Während Dylan von einer Entführung überzeugt ist, nimmt die Polizei ihn nicht ernst, und so beschließ er, auf eigene Faust nach dem Jungen zu suchen. Spätestens hier ist man als Leser komplett angefixt: Warum fühlt sich Dylan so sehr mit dem Jungen verbunden? Noch mehr Fragen werfen eingeschobene Protokollaufnahmen auf, die Gespräche einer Psychologin mit einem Gefängnisinsassen namens Joseph wiedergeben. Erst nach und nach wird klar, dass Joseph wegen eines Mordes sitzt und dass er in irgendeiner Beziehung zu dem verschwundenen Jungen steht. In einem herkömmlichen Thriller würde der Autor jetzt die Theorien der Leser befeuern, wer hier wohl der Täter sein könnte. „Boy in the Park“ hingegen wird immer aufregender: Plötzlich ist da ein weiterer Junge – oder ist es doch der im Park Verschwundene? Der Roman wechselt die Zeitebene und führt den Leser immer wieder zu einer Hütte im Wald, in der grauenvolle Dinge geschehen … Vielleicht ist es das behutsame Tempo, in dem A.J. Grayson erzählt. Vielleicht liegt es aber auch an der sprachlichen Genauigkeit, mit der er zwischen Dylans poetischem Ton und der knappen, sehr gewöhnlichen Ausdrucksweise von Joseph unterscheidet. Wenn selbst Krimihasser das Buch nicht aus der Hand legen können und dabei noch nicht einmal das Gefühl haben, ihre Grundsätze zu verraten, könnte es am Ende auch an den anderen Jobs eines Autors liegen, der anonym bleiben will: Neben seinem Brotjob als Wirtschaftsberater arbeitet A.J. Grayson auch als Komponist.