Alarmsignal über „Insomnia“: Offene Feldschlacht
Haltung zeigen und trotzdem alle mitnehmen? Für die Punker von Alarmsignal ist das kein Widerspruch.
Steff, Bulli, euer letztes Album „Ästhetik des Widerstands“ war das erste, das es in die Charts geschafft hat. Hat das beeinflusst, wie ihr an „Insomnia“ herangegangen seid?
Stefan „Steff“ Prill: Natürlich haben wir uns gefreut, auch, weil wir nicht damit gerechnet hatten. Wir haben ja auch gar nicht die Mittel, um uns gegen Stars wie Sting oder Helene Fischer durchzusetzen, mit denen wir uns die Charts geteilt haben.
Stefan „Bulli“ Buhlrich: Es war ziemlich nice, aber wir haben zuvor Platten auch auf Labels veröffentlicht, die gar keine Chartzähler sind. Wir hätten also theoretisch schon früher einsteigen können. Und wir haben jetzt keine der Songs auf „Insomnia“ geschrieben, damit sie in die Charts kommen.
Als politische Punkband steht ja immer die Frage im Raum, ob zu viel Reichweite nicht auch bedeuten kann, dass man Kompromisse eingehen muss.
Buhlrich: Wir machen keine Musik für den Mainstream, aber deshalb ist der ja nicht automatisch schlecht. Wir haben das Glück, dass wir auch Leute außerhalb unserer Bubble erreichen. Deshalb sind oft Themen gar nicht so ausgelutscht, wie wir denken. Ein gutes Beispiel ist der Song „Deutsch mich nicht voll!“. Eine Bekannte von mir leitet ein Museum, ich wusste gar nicht, dass sie unsere Musik auf dem Schirm hat. Aber sie hat erzählt, sie hört den Song den ganzen Tag, weil sie die Message so toll findet. Und das ist mit das punkigste Lied auf der Platte!
In den sozialen Medien gibt es ja aktuell die Debatte, ob man etwa Twitter bzw. X verlassen sollte, weil Elon Musk daraus eine rechte Echokamer gemacht hat – oder gerade darum dort bleiben. Wie seht ihr das?
Prill: Ich glaube, die Frage muss jeder für sich selbst beantworten: Einerseits willst du das Feld nicht den anderen überlassen, andererseits könntest du mit der Argumentation auch auf einem rechtsoffenen Festival spielen. Es gibt ja auch Menschen, die so alt oder verbohrt sind, dass sie nur noch schwer zu überzeugen sind. Da kümmere ich mich lieber um die, die ich noch abholen kann.
Buhlrich: Wobei das dann eher in den sozialen Medien gilt – wenn jemand auf der Straße etwas Dummes sagt, musst du natürlich trotzdem etwas sagen und Konter geben.