Als AIDS nach London kam: „It’s a Sin“ auf ZDFneo
Der Kampf gegen AIDS war nie nur medizinischer Natur: „It's a Sin“ nimmt uns mit in die Londoner Schwulenszene der 80er-Jahren. Jetzt auf ZDFneo.
„It’s a Sin“: Jetzt in der ZDF-Mediathek streamen
1981: Der junge Ritchie (Olly Alexander) lebt mit seinen Eltern und seiner Schwester auf der britischen Insel Wight. Für sein Jurastudium lässt er die kleinbürgerliche Einöde hinter sich und zieht ins bunte London. Er feiert wilde Partys, und als er die charismatische Schauspielstudentin Jill (Lydia West) kennenlernt, beschließt er, sein Studium zu schmeißen und ebenfalls Schauspieler zu werden – was für seinen konservativen Vater einem Weltuntergang gleichkommt. Doch was seine Eltern noch nicht wissen: Ritchie ist schwul. Die BAFTA-prämierte Serie It’s a Sin (in der ZDF-Mediathek streamen) geht ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten in die Vollen und porträtiert explizit und mit einer Menge Humor die Londoner Schwulenszene der 80er-Jahre: mit all ihren wunderschönen Momenten – und ihren tödlichen Schattenscheiten.
Ritchie stürzt sich ins fantastisch inszenierte London der frühen 80er-Jahre und lernt schnell eine Gruppe anderer schwuler Männer kennen: Ash (Nathaniel Curtis), ein guter Freund von Jill, Roscoe (Omari Douglas), der wie Ritchie auch vor seiner konservativen Familie nach London geflohen ist, sein Freund Gregory (David Caryle), genannt Gloria, und den schüchternen Colin (Callum Scott Howells), der für eine Ausbildung zum Herrenschneider nach London gekommen ist. Die Gruppe wird eine WG und ihr Leben eine Party. Doch in den Medien kursieren zunehmend Geschichten von einer ominösen Krankheit, die angeblich nur homosexuelle Menschen befällt. Und als Henry Coltrane (Neil Patrick Harris), der Vorarbeiter von Colin, unerwartet stirbt, scheinen die Einschläge bedrohlich näherzukommen: Wird einer aus der WG etwa der nächste sein?
Dass sich hinter der so schön inszenierten Dramaserie mit ausladenden Plansequenzen und feinen Brüchen mit der vierten Wand eine beklemmende Realität voller Homophobie und unterdrückter Sexualität verbirgt, wird schnell klar: Allein die mediale Sprache, mit der in den 80er-Jahren über AIDS gesprochen wurde, ist aus heutiger Perspektive grotesk – ganz zu schweigen von der unterlassenen medizinischen Hilfeleistung und Aufklärung. So ist es auch eine völlig nachvollziehbare Entscheidung der WG, sich erstmal nicht weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Schließlich scheint dies nur eine weitere homophobe Kampagne zu werden.
Doch schnell beginnt sich auch ein politischer Protest zu formen. Schließlich ist der Kampf gegen AIDS nie nur medizinischer, sondern immer auch ideologischer Natur gewesen. Drehbuchautor Russel T. Davies hat selbst die Stimmung um die Ausbreitung des HI-Virus’ im London der 80er-Jahre miterlebt und weiß deshalb genau, wie sich die anschwellende Unsicherheit, die menschenfeindlichen Atmosphäre angefühlt hat. Um die Geschichte so authentisch wie möglich zu erzählen, haben Davis und Regisseur Peter Hoar ganz bewusst eine überwiegend schwule Besetzung gecastet. Vielleicht bewahrt It’s a Sin gerade deswegen durchgehend ein sehr gutes Gespür für den richtigen Ton, für das Verhältnis zwischen Humor und Drama.