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„Inside Problems“ von Andrew Bird: Alle mal die Fresse halten!

Portraitfoto Andrew Bird
(Foto: David Black)

Andrew Bird mag den Pessimismus von seinem neuen Album „Inside Problems“. Und wenn es dem Singer/Songwriter zu viel wird mit den düsteren Gedanken, hat er immer noch seine Superkraft.

Andrew Bird, du hast aber hohen Hausflur. Ein richtiges Atrium, in dem du hier mit mir über dein neues Album „Inside Problems“ sprichst.

Andrew Bird: Dafür sind die restlichen Räume winzig. (lacht) Ich sitze bei Zoom-Interviews immer im Flur, damit die Leute beeindruckt sind. Übrigens schreibe ich hier auch viele Songs. Es hilft, sich in einem großen Raum aufzuhalten, um mehr Optimismus zu generieren.

Bist du ansonsten eher ein Pessimist?

Andrew Bird: Ich habe eine starke Schlagseite zum Dunkeln hin. In meinen Liedern muss ich mich dann immer wieder selbst auf den Arm nehmen, damit es für die Hörenden nicht zu selbstmitleidig und trostlos klingt.

Oder du pfeifst eine Runde, so wie in „Fixed Positions“ und „Faithless Ghost“ auf deinem neuen Album „Inside Problems“.

Andrew Bird: Das Pfeifen ist meine Superkraft. Als ich noch in Bars vor lauter Besoffenen aufgetreten bin, habe ich irgendwann gemerkt, dass die Leute schlagartig die Fresse halten, wenn du anfängst zu pfeifen. Das scheint ein natürlicher Reflex zu sein.

Hat dich das Leben so melancholisch gemacht, oder bist du qua Geburt so?

Bird: Ich bin ein sehr fröhlicher und glücklicher Junge gewesen. Die Schule hat mich gebrochen, dort wurde ich sehr still und in mich gekehrt. In institutionellen Umgebungen habe ich mich immer unwohl gefühlt.

Deine Hauptinstrumente sind Gitarre und Geige, aber du spielst unter anderem auch Mandoline und Glockenspiel. Hast du so viele Instrumente erlernt, damit du alles alleine machen kannst und keine anderen Musiker brauchst?

Bird: Mit 19 bin ich in meiner Heimatstadt Chicago einer Art Ska-Punk-Band beigetreten. Wir haben in einem widerlichen Kellerloch geprobt und hatten fast zehn Jahre lang viel Spaß, aber kaum Geld. Dann bin ich aufs Land in eine alte Scheune gezogen. Da von den anderen Jungs keiner ein Auto hatte, konnten sie mich nicht besuchen, und so fing ich aus der Not heraus an, meine Musik mit einer Looping-Station zu machen. Das kam beim Publikum hinreichend gut an, und so bin ich dabei geblieben.

„In den Liedern geht es um das Spannungsfeld zwischen Vereinzelung und Gesellschaft.“ Andrew Bird über sein neues Album „Inside Problems“

Andrew Bird, „Inside Problems“ ist ein poetisches Poprock-Blues-Folk-Jazz-Singer/Songwriter-Album. Oder hast du eine griffigere Beschreibung?

Bird: Schön wär’s, aber nein. Ich weiß es auch nicht. Es ist wohl einfach Musik. Beim Schreiben habe ich viel Nick Drake und John Cale gehört, aber ich bin jemand, der immer wieder vom Skript abweicht.

„Lone Didion“ oder „Atomized“ handeln vom Alleinsein. Du hast eine Frau und einen zehnjährigen Sohn. Wo findest du die Zeit für Einsamkeit?

Bird: Oh, ich kann das Gefühl immerzu abrufen, denn früher war ich ein Einzelgänger. Heute bin ich am nächsten bei mir, wenn ich im Bett oder auf dem Sofa liege, schlafen möchte, aber die Dämonen und Songideen so laut in meinem Kopf plappern, dass an Ruhe nicht zu denken ist. Allerdings geht es in den Liedern um das Spannungsfeld zwischen Vereinzelung und Gesellschaft.

Und? Was ziehst du vor?

Bird: Kein Mensch ist eine Insel. Andererseits weisen wir Amerikaner so viele Anzeichen einer verlorenen Gesellschaft auf, dass es mich frösteln lässt. Wir geistern durchs Leben wie hohle Seelen.

Da ist er wieder, der Dunkelseher Andrew Bird.

Bird: (lacht) Tut mir leid. Aber hey, ich denke, dass Kunst und Musik diese Leere in den Menschen zu füllen vermögen. Und deshalb bin ich doch kein vollständiger Pessimist.

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