Andrew Dorff – das „mysteriöse Wunderkind“
Er ist ein großer Fan der Einfacheit, und so wird Andrew Dorffs Abart des Alternative Rock mit nichts belastet, was nicht auch wirklich in die Songs hineingehört. Das Album „Hint Of Mess“ (Columbia/Sony) bietet elf urbane Geschichten, die er souverän zwischen Selbstentblößung und sarkastischem Humor hält. In New York hat sich das ehemalige Westküsten-Kid mit der erstaunlich rauen Stimme mit einer ganzen Riege von Musikern zusammengetan, die dem Cocktail einen Schuß ihrer speziellen Geschmacksrichtung verpaßt haben.
Andrew Dorff, sind deine Stücke Lieder vom Leben in New York?
Andrew Dorff: Ich hab einen Teil in Los Angeles und einen Teil in New York geschrieben. „Too Far Underground“ ist schon eine echte New-York-Geschichte, da kam eine Frau mit einen Crack-Pfeife auf mich zu und fragte mich, ob ich an Jesus glaube. Aber bei machen Songs bin ich auch im Flugzeug auf die Idee gekommen, ironischerweise also genau dazwischen.
Was hast du der Frau geantwortet?
Dorff: Nichts. Ich hatte Angst und habe mich davongemacht, das passierte schließlich in einer üblen Gegend.
Sind es immer solche Erlebnisse, die einen Song auslösen?
Dorff: Die meisten Songs fangen mit einem Brocken Realität an, aber von da an lasse ich mich treiben. Aber das wichtige ist: es ist immer noch wahr. Es ist alles erfunden, aber nicht unecht oder gefälscht.
Es tauchen wenige Liebeslieder auf.
Dorff: Keine traditionellen Liebeslieder, das stimmt. Ich bin nicht romantisch veranlagt. Ich würde meinen Worten nicht glauben, wenn ich plötzlich ein “richtiges“ Liebeslied singe würde.
Das ist ja auch eine der ewigen Wahrheiten der Popmusik, daß es schnell banal wird, über das Glück zu singen.
Dorff: Mag schon sein, aber wenn ich Auto fahre, höre ich am liebsten Babyface und Boys 2 Men.
Hat es denn jemals wirkliche Einflüsse gegeben?
Dorff: Mein Herz und mein Instinkt folgen meinen eigenen Richtlinien, und dann alle möglichen Vergleiche hinterhergeworfen zu bekommen, von Bob Dylan bis Tom Waits, ist schon seltsam, ich kenne die meisten Sachen von denen gar nicht. Ich beziehe meine Inspiration garantiert nicht daher. Es ist natürlich eine schöne Sache, über diese Vergleiche mitzubekommen, daß deine Musik Leute tatsächlich berührt.
Die haben schließlich auch angefangen, als sie noch jung waren.
Dorff: Kann sein, aber ich weiß wirklich nichts über sie, außer daß ihre Namen eben Legenden der Popmusik sind. Ich habe natürlich die Versuchung gespürt, in einen Laden zu gehen und mir deren ganze CDs zu kaufen, habe mir aber dann gesagt: Nein, das läßt du bleiben! Ich will das gar nicht so genau wissen, ich will das Geheimnis der Inspiration nicht zerstören.
Du warst ja insofern privilegiert, als dein Vater als Komponist von Filmmusik ein eigenes Studio zuhause hatte. Bist du so schon früh an die Musik herangekommen?
Dorff: Mir war diese Möglichkeit nicht bewußt, ich wollte halt nicht. Ich habe nicht freiwillig für längere Zeit im Studio herumgehangen.
Es war also nicht klar, daß eine musikalische Begabung in der Familie lag?
Dorff: Gar nicht. Ich habe erst mit 16 angefangen, so etwas wie Popsongs zu verfassen, vorher war ich viel zu schüchtern, um zu singen.
Musstest du dich denn anfangs überwinden aufzutreten?
Dorff: Ich weiß nicht, wie ich es das erste Mal auf die Bühne geschafft habe, aber ich habe es getan aus einer surrealen Motivation heraus. Das Ganze ist für mich immer noch ein wirrer Traum. Da rackern sich andere jahrelang ab, und ich schlüpfe ganz mühelos in meine Marketing-Nische als mysteriöses Wunderkind. Das große Klischee musste anscheinend wieder einmal wahr werden.