Anja Huwe: Goth sei Dank!
Mit der Hamburgerin Anja Huwe kehrt eine Legende zurück. Nur muss man hierzulande wohl erst mal klären, wer eigentlich Xmal Deutschland gewesen sind.
„Seit der Trennung Anfang der 90er-Jahre verfolgen mich die Legende von Xmal Deutschland und nicht enden wollende Anfragen aus aller Welt, die ich stets abgelehnt habe“, sagt Anja Huwe. Vor Jahrzehnten hat sie der Musik den Rücken gekehrt und pendelt seitdem als bildende Künstlerin zwischen Hamburg und New York. Doch nicht von ungefähr sind da immer wieder die Versuche von Enthusiasten aus England und den USA, sie zu einer Rückkehr vors Mikro zu bewegen: Anfang der 80er orientieren sich fünf junge Frauen aus Hamburg an der Philosophie des Punk, greifen mit Vogelnest-Frisuren und Kajal-Exzessen den Style der Gothics auf – und schon die frühe Single „Incubus Succubus“ etabliert Xmal Deutschland als Protagonistinnen der später so wirkungsmächtigen Postpunk-Szene. Während der Erfolg in der Heimat relativ überschaubar bleibt, gehen sie in England mit den Cocteau Twins auf Tour, unterschreiben trotz deutscher Texte einen Vertrag bei der Plattenfirma 4AD, und Mitte der 80er eröffnen sie für die Stranglers in der Londoner Wembley Arena.
Das Label Sacred Bones Records mit Sitz in New York ehrt Xmal Deutschland jetzt nicht nur mit der Compilation „Early Singles 1981-1982“, sondern verlegt auch das heiß ersehnte Comeback von deren Sängerin. Auf „Codes“ erkundet Huwe die neuen Möglichkeiten der digitalen Musikproduktion: Zwischen harten elektronischen Beats und dem so eigenwilligen Gitarrenspiel ihrer ehemaligen Bandkollegin Manuela Rickers verlängert sie den angestammten Sound ins Jetzt. „How shall we face the cold/I feel nothing but loathing“, singt sie mit schneidender, unterschwellig aggressiver Stimme in dem tanzbaren Stück „Living in the Forest“ – und es ist die zugleich durchschimmernde Zerbrechlichkeit, mit der sie die Gefühlslage der derzeitigen Polykrise perfekt abbildet.