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Annette Mingels: Was alles war

Ein Buch, das mit vielen Sätzen und Passagen nachwirkt: „Was alles war“ von Annette Mingels

Wie ist es, als adoptiertes Kind seine Mutter und Halbgeschwister als Erwachsene kennenzulernen, während man die eigene Patchworkfamilie mit der Karriere in Einklang zu bringen versucht? Annette Mingels versucht gar nicht erst Antworten auf diese Frage zu finden. Ihre Protagonistin Susa liebt ihre Pflegeeltern, bleibt seltsam unberührt von der egozentrischen Art ihrer leiblichen Mutter und scheint ähnlich genügsam zu sein wie die Plattwürmer, die sie als Meeresbiologin unter dem Mikroskop hat. Und dann ist da noch die Beziehung zum jung verwitweten Henryk und seinen beiden Töchtern, deren Liebe ihr mühelos in den Schoß fällt. Fast hat man das Gefühl, Mingels entwerfe ein allzu behagliches Idyll, in der Behutsamkeit das Nonplusultra ist. Gleichzeitig zieht einen ihre Sprache in den Bann, die unaufdringlich in die Tiefe geht. Und just, als man „Was alles war“ wegen des reaktionären Plots zur Seite legen will, verändern sich die Geschehnisse. Neben Mingels privatem Glück, Mutter zu werden, tun sich Konflikte auf: Krankheit, Tod, Zurückstecken im Job, Ehekrise und das dringende Bedürfnis, den leiblichen Vater zu suchen, lassen Schmerz, Verunsicherung und Ängste in der ursprünglich blassen Protagonistin deutlicher hervortreten. Dabei setzt die Autorin nicht einen Moment auf Drama, sondern treibt ihren Sprachfluss gemächlich voran. Ein Buch, das – ungeachtet der eigenen Lebenssituation – mit vielen Sätzen und Passagen nachwirkt. vr

Annette Mingels Was alles war

Knaus, 2017, 288 S., 19,99 Euro

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