Zum Inhalt springen

Annuluk: B*A*M – Beautiful and massive

Mit ihrem dritten Album verpasst die Leipziger Band Annuluk der Weltmusik den richtig fetten Wumms.

„Ich musste die Angst überwinden, der Arsch zu sein“, erinnert sich Michaela Holubova an die wohl schwerste Entscheidung ihres Musikerdaseins. Als Frontfrau der Leipziger Band Annuluk war sie es gewohnt, Genregrenzen zu sprengen: Auf seinen ersten beiden Alben brachte das Trio afrikanische, indische und arabische Rhythmen, echte Instrumente und elektronische Beats zusammen. Doch schon seit ihrer Zeit in Tschechien vor mehr als zehn Jahren hat Holubova nebenher auch stets an Drum’n’Bass-Projekten gearbeitet. „Lange Zeit war es für mich okay gewesen, zwei fast schon gegensätzliche Sachen zu machen und einen Ausgleich zu haben, aber jetzt merkte ich, dass ich den richtig fetten Wumms in die Weltmusik reintragen wollte“, erklärt sie ihren Zwiespalt. Zwar hatten Annuluk auch schon auf dem Vorgänger versucht, so viel Elektronik wie möglich unterzubringen – nur waren sie wegen der zahlreichen Gastmusiker sehr schnell an ihre Grenzen gestoßen. „Wenn man Elektronik reinschiebt, ist da sehr schnell kein Platz mehr – nur haben wir mit den vielen akustischen Instrumenten eben nie das erreicht, was ich bewegen wollte, und deswegen habe ich mich dieses Mal für die Beats und gegen all die tollen Musiker entschieden.“

Insofern ist das dritte Annuluk-Album wenn nicht eine Neuausrichtung, dann doch zumindest eine starke Akzentverschiebung. Konnte man die ersten beiden Alben noch relativ klar als Weltmusik mit elektronischen Elementen einordnen, definiert sich „B*A*M – Beautiful and Massive“ eher als Elektroplatte mit weltmusikalischen Elementen. Zwar haben es Cellist Dave Sills Toprack, Trompeter Govinda Abbott und Saxofonist Christian Walter noch auf einige Stücke geschafft, doch werden Songs wie „Euphoria“ vor allem von Synthiebässen geprägt, die auch härteren Dubstep-Tracks gut stehen würden. „Keine Ahnung, warum mir diese extreme Fusion plötzlich so wichtig war“, überlegt Holubova. „Vielleicht habe ich unbewusst auf das gesellschaftliche Klima und speziell die Situation in Leipzig reagiert: Wenn man von Zerstörung übrflutet wird, muss man versuchen mit größerer Kraft und mehr Kante dagegen zu halten.“

Holubova und den beiden italienischen Soundtüftlern Roberto Fratta und Alessandro Cerbucci ist klar, dass sie jetzt nicht nur häufiger in Clubs als in Kulturzentren spielen werden, sondern sich auch ein Teil ihres Publikums austauschen wird. „Wir sind Ressentiments gewöhnt“, gibt sich die Sängerin gelassen. „Besonders in Deutschland tun die Leute immer so, als wären sie gegen Schubladendenken, aber wenn sie dann mit Musik konfrontiert werden, die sie nicht einsortieren können, wollen sie damit dann doch nichts zu tun haben.“ Und auch den Einwand, dass es vielerorts als politisch unkorrekt gelte, von Weltmusik zu sprechen, schiebt sie mit einem Lachen beiseite. „Wenn ich den Begriff verwende, definiere ich ja nicht westliche Musik als Normalität. Ganz im Gegenteil: Ich spreche von Weltmusik, weil sie im Gegensatz zur westlichen Musik ja gerade offen, facettenreich und wesentlich interessanter ist. Wenn ich bei dieser Definition ins Visier genommen werde, dann bin ich gerne politisch unkorrekt“, sagt sie, – und man hat keinen Zweifel daran, dass sie sowohl mit einer größeren Aufmerksamkeit als auch mit gelegentlichen Anfeindungen sehr gut zurecht kommen wird.

LIVE
20. 8. Leipzig
27. 8. Gostewitz
2. 9. Zentendorf
19. 11. Jena

CHECKBRIEF
NAME Annuluk KERNMITGLIEDER Michaela Holubova (Gesang), Roberto Fratta (Percussion, Ngoni Camele), Alessandro Cerbucci (Synthesizer, Beats) ORT Leipzig GRÜNDUNGSJAHR 2011 GENRE Global Pop, Electronika SINGEN in einer Fantasiesprache WURDEN als Bester Newcomer 2014 mit dem Via Vut Indie Award ausgezeichnet SIND Soundfetischisten und nehmen in 88,2 kHz auf, dem Doppelten des CD-Standards

Beitrag teilen: