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„Arctic Mirage“ von Terhi Kokkonen

Buchcover „Arctic Mirage“ von Terhi Kokkonen

Im Nordic-Crime gibt es nur noch durchgeknallte Serienkiller, die von kauzigen Cops gejagt werden? Bei „Arctic Mirage“ von Terhi Kokkonen gerät man mit dieser Erwartung aufs Glatteis …

Lange bleibt unklar, welche Rolle die fein gezeichneten Nebenfiguren in dem raffiniert erzählten Debütroman „Arctic Mirage“ von Terhi Kokkonen spielen.

„Arctic Mirage“ von Terhi Kokkonen ist unser Krimitipp der Woche.

Grüne Nordlichter säumen wie Girlanden den Himmel, während das Eis in blau-weißen Drinks klirrt. So hat sich das Pärchen Karo und Risto ihren Urlaub in Lappland vorgestellt. Leider bleiben die spektakulären Natur­ereignisse aus, und zudem haben sie auch noch ihre Beziehungsprobleme im Gepäck. Auf dem Weg zurück zum Flughafen gerät ihr Auto ins Schlittern. Sie rutschen von der Straße und finden sich mit gebrochener Nase und Halskrause im abgelegenen Hotel Arctic Mirage wieder. Das gut situierte Paar aus Helsinki-Töölö zahlt 700 Euro die Nacht, schluckt Ibu 600 und hängt länger fest als zunächst geplant. Karo will die unverhoffte freie Zeit nutzen: endlich wieder Ski laufen, tanzen und vor Risto kniend den Reißverschluss seiner Hose öffnen. Er lässt sich lieber immer wieder Wein aufs Zimmer bringen, um dadurch mit Sinikka vom Empfang flirten zu können. Deren Sami-Tracht ist genauso Verkleidung, wie die Korrektheit ihrer strengen Chefin Lahja nur vorgeschoben ist. Ihre Dominanz spielt Lahja auch gegenüber dem Hotelarzt Martin aus: Jeden Donnerstag fordert sie von ihm eine – wortwörtlich – eindringliche Unter­suchung, weswegen er sich selbst blaue Pillen verschreiben muss.

Was sich lediglich als Verflechtung von Beziehungswirren entwickeln könnte, stellt Terhi Kokkonen gleich im ersten Satz unter ein klares Vorzeichen: Sie verrät, dass Karo ihren Risto töten wird. Jedoch bleibt lange unklar, wie es dazu kommt und welche Rolle die fein gezeichneten Nebenfiguren in dem raffiniert erzählten Debüt­roman spielen. „Arctic Mirage“ führt uns immer wieder aufs Glatteis: Ist auf Karos Erinnerungen nach ihrer Gehirnerschütterung wirklich Verlass? Des mysteriösen blauen Wagens, der ihnen bei dem Unfall angeblich entgegengekommen ist, kann nur sie sich entsinnen. Wollte Risto etwa absichtlich einen Crash herbeiführen und sie beide töten? Ob Karo am Ende wirklich mit dem Schnee­schieber zuschlägt, lässt sich sogar auch in Frage stellen. Terhi Kokkonen ist clever genug, ihre Geschichte von Kontroll­verlust und unerfüllten Sehnsüchten offen zu halten. Ein Stereotype der Nordic-Crime-Romane erfüllt sie jedoch: Wo Polizisten Fellmützen tragen und Doppel­buch­staben sich häufen, verfärbt sich der Schnee garantiert blutrot …

Hat es Terhi Kokkonen mit „Arctic Mirage“ auf unsere Liste der besten Krimis im Januar 2024 geschafft?

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